Rz. 23

Am 29.3.2017 hat das Vereinigte Königreich offiziell mitgeteilt, dass es aus der Europäischen Union austreten wird.[22] Damit wurde das Ende der mehr als 40 Jahre währenden (wechselvollen) Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union besiegelt.

 

Rz. 24

Es war das erste Mal in der Geschichte der Europäischen Union, dass ein Mitgliedstaat aus der Gemeinschaft wieder ausgetreten ist. Für einen solchen Austritt bestand viele Jahre keine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Erst mit dem am 1.1.2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon wurde der Austritt eines Mitgliedstaats aus der Europäischen Union näher geregelt (Art. 50 EUV). Die maßgebliche Vorschrift (Art. 50 EUV) lautet wie folgt:

 

(1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.

(2) Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht mit. Auf der Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus und schließt das Abkommen, wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union berücksichtigt wird. Das Abkommen wird nach Artikel 218 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausgehandelt. Es wird vom Rat im Namen der Union geschlossen; der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments.

(3) Die Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Absatz 2 genannten Mitteilung keine Anwendung mehr, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.

(4) Für die Zwecke der Absätze 2 und 3 nimmt das Mitglied des Europäischen Rates und des Rates, das den austretenden Mitgliedstaat vertritt, weder an den diesen Mitgliedstaat betreffenden Beratungen noch an der entsprechenden Beschlussfassung des Europäischen Rates oder des Rates teil.

Die qualifizierte Mehrheit bestimmt sich nach Artikel 238 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

(5) Ein Staat, der aus der Union ausgetreten ist und erneut Mitglied werden möchte, muss dies nach dem Verfahren des Artikels 49 beantragen.

 

Rz. 25

Der Austritt eines Mitgliedstaats wird in dieser Vorschrift nur sehr allgemein und vergleichsweise kurz geregelt. Im wissenschaftlichen Schrifttum wurde die Regelung zunächst nur wenig erörtert.[23] Rechtsprechung gibt es dazu noch nicht. Mit dem Brexit kommt die Regelung nunmehr erstmals zur Anwendung.[24] Die Unsicherheit war und ist für alle Beteiligten erheblich.[25]

 

Rz. 26

Die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union hätte damit an sich zwei Jahre nach der Austrittserklärung geendet. Nach langwierigen Verhandlungen und mehrfachen Fristverlängerungen kam es schließlich doch noch zur Unterzeichnung eines Austrittsabkommens.

[22] Nach dem Streit um den European Union (Notification of Withdrawal) Act 2017. Zur Entscheidung des Supreme Court of the United Kingdom vom 14.1.2017, R (Miller) v Secretary of State for Exiting the European Union (2017) UKSC 5, Volltext unter www.supremecourt.uk, siehe im deutschen Schrifttum u.a. Alter, JZ 2017, 405; Voland/Benson, EuZW 2017, 176.
[23] Ausführlich dazu u.a. Thiele, EuR 2016, 281, sowie die neueren Kommentierungen zu Art. 50 EUV.
[24] Ausführlich zum Ganzen u.a. Basedow, ZEuP 2016, 567; Bronger/Söhnchen, EWS 2016, 131; Frenz, BB 2016, 1603; Thiele, EuR 2016, 281.
[25] Zu den europa- und völkerrechtlichen Fragen des Austritts siehe (im deutschen Schrifttum) (neben den Kommentierungen zu Art. 50 EUV) u.a. Kaiser, EuR 2016, 593; Kotzur/Waßmuth, JZ 2017, 489; Mansel/Thorn/Wagner, IPrax 2017, 1; Rinze, ZIP 2016, 2152; Simon, JZ 2017, 481; Skouris (früherer Präsident des EuGH), EuZW 2016, 806; Thiele, EuR 2016, 281.

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