Rz. 27
Am 31.1.2020 haben das Vereinigte Königreich und die Europäische Union ein Austrittsabkommen (Withdrawal Agreement) geschlossen. Damit ist der Austritt des Vereinigten Königreichs wirksam geworden. Das Vereinigte Königreich ist seitdem ein Drittstaat. Mit Wirkung zum 1.2.2020 wäre somit das gesamte europäische Recht außer Kraft getreten. Die mit diesem Systemwechsel verbundenen Härten sollten vertraglich abgemildert werden.
Rz. 28
In dem Austrittsabkommen wurde demnach ein Übergangszeitraum vom 1.2.2020 bis zum 31.12.2020 vereinbart. Danach war das (bisherige) Recht der Europäischen Union vorübergehend weiter anwendbar (siehe im Einzelnen die sehr detaillierten Regelungen in Art. 126 ff. des Abkommens). Damit bestand die durchaus kuriose Situation, dass das Recht der Europäischen Union auch in einem Drittstaat (dem Vereinigten Königreich) galt.
Rz. 29
In Deutschland wurde ergänzend geregelt, dass während des Übergangszeitraums das Vereinigte Königreich im deutschen Bundesrecht (vorbehaltlich gewisser Ausnahmen) weiterhin als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt.
Rz. 30
Am 31.12.2020 endete der Übergangszeitraum. Seit dem 1.1.2021 ist das Recht der Europäischen Union somit nicht mehr anwendbar. Das gilt nicht nur für die Europäischen Verträge (AEUV und EUV, einschließlich der vier Grundfreiheiten), sondern auch für alle Verordnungen, Richtlinien und sonstigen Rechtsakte. Das Vereinigte Königreich ist jetzt ein echter Drittstaat.
Rz. 31
Das Austrittsabkommen enthält keinerlei besondere Regelungen zum Gesellschaftsrecht (auch nicht zum Kollisionsrecht). Sämtliche Verordnungen und Richtlinien auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts haben damit ihre Gültigkeit verloren. Die europäische Niederlassungsfreiheit gilt nicht mehr. Die Rechtsprechung des EuGH ist nicht mehr maßgebend.
Rz. 32
Das europäische Recht, das in der Vergangenheit im Vereinigten Königreich in nationales Recht umgesetzt worden ist, hat grundsätzlich weiterhin Bestand. Der britische Gesetzgeber kann dieses aber jederzeit ändern, anpassen oder auch ganz aufheben (und hat dies vielfach auch bereits getan). Die britischen Gerichte sind bei der Gesetzesauslegung nicht mehr an die Vorgaben des EuGH gebunden.
Rz. 33
Seit dem 1.1.2021 sind im Vereinigten Königreich u.a. die Vorschriften über grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel nicht mehr anwendbar. Die deutsche Regelung zum Vertrauensschutz bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen (§ 122m UmwG) geht damit ins Leere.
Die Regeln über die Vernetzung der Handelsregister in Europa (BRIS Business Register Interconnections System, BRIS) gelten nicht mehr.
Die Neugründung von SE, SCE oder EW i.V.m. Sitz im Vereinigten Königreich ist nicht mehr möglich.