Rz. 2299
Rz. 2300
BGH
Der Straßenverkehrssicherungspflichtige (3) ist grundsätzlich nicht verpflichtet, Wildschutzzäune anzubringen. Bei der Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Gefahren, die dem Verkehr auf der Straße von Wild drohen, gilt es zu bedenken, dass Wild herrenlos und eine natürliche Erscheinung ist. Im Grunde kann Wild an jeder ländlichen Straße, insbesondere im Wald, auf die Straße treten und den Verkehr gefährden. Der Verkehrsteilnehmer (1) kann und muss sich auf solche Gefahren einstellen. Ist Wildwechsel in Betracht zu ziehen, wird ein sorgfältiger Kraftfahrer zum Beispiel die Geschwindigkeit mäßigen, den Fahrbahnrand verstärkt beobachten, seine Reaktionsbereitschaft erhöhen oder auf andere Weise sein Fahrverhalten der jeweiligen Gefahrenlage anpassen. Insbesondere haftet das verkehrssicherungspflichtige Bundesland nicht, wenn es das Gefahrenzeichen "Wildwechsel" (Zeichen 142 StVO) aufgestellt hatte und ein Motorradfahrer (1) mit Damwild (2) kollidiert.
Rz. 2301
OLG Hamm
Es liegt kein schuldhaftes Handeln eines Kraftfahrers (1) vor, wenn er plötzlich von rechts auf die Fahrbahn tretenden Rehen nach links ausweicht, statt bremsend auf sie zuzufahren. Der verletzte Beifahrer kann weder den Fahrer des Kfz noch den Halter oder die Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz in Anspruch nehmen. Die Handlung des Fahrers ist die natürliche und plausible Reaktion und auch dann nicht fahrlässig, wenn sie sich nachträglich als objektiv unzweckmäßig oder falsch erweist.
Hinweis
Seit dem 1.8.2002 haftet der Halter des Kfz gem. § 7 StVG für Schäden, die sein Beifahrer erleidet, unabhängig vom Verschulden. Eine Entlastung kommt nur dann in Betracht, wenn "höhere Gewalt" zum Unfall führte. Die Entlastung nach § 7 Abs. 2 StVG a.F. bei unabwendbaren Ereignissen gilt nur noch bei Sachschäden, wenn mehrere Kfz beteiligt sind. Nach der neuen Bestimmung des § 7 StVG kann der Beifahrer auch bei fehlendem Verschulden des Fahrers von Kfz-Halter und Kfz-Haftpflichtversicherung Ersatz fordern.
Rz. 2302
OLG Nürnberg-Fürth
Rehe oder Damhirsche, die in Gehegen zum Zwecke der Fleischerzeugung gehalten werden, sind keine Haus- oder Nutztiere im Sinne des § 833 Abs. 2 BGB, sondern Luxustiere. Ein Familienangehöriger, der für den Tierhalter die Beaufsichtigung von Tieren übernimmt, ist mangels einer vertraglichen Beauftragung grundsätzlich kein Tierhüter im Sinne des § 834 BGB. Bricht Damwild zur Nachtzeit aus dem Gehege aus, so haftet der Tierhalter zu 75 %.
Rz. 2303
LG Stade
Häufen sich im Bereich einer Straße Wildunfälle, ist der Verkehrssicherungspflichtige verpflichtet, durch die Aufstellung des Zeichen 142 der StVO (Wildwechsel) auf die besondere Gefährlichkeit dieser Strecke hinzuweisen, falls sich dies nicht aus den örtlichen Verhältnissen erschließt. Von einer derartigen Häufung von Wildunfällen ist bei einer durchschnittlichen Unfallhäufigkeit von mehr als drei Unfällen pro Jahr und Kilometer auszugehen. Führt die Straße durch ländliches Gebiet, in dem auch mit Wildwechsel zu rechnen ist, muss sich der Geschädigte (1) die Betriebsgefahr seines Pkw zu ⅓ anrechnen lassen. Durch Geschwindigkeitsverringerung und genaue Beobachtung des Fahrbahnrandes hätte ein aufmerksamer Fahrer den Unfall verhindern oder im Ausmaß verringern können, zumal sich der Unfall bei Tagesanbruch ereignete und der Wechsel von Nacht auf Tag dem Autofahrer besondere Aufmerksamkeit abverlangt.
Rz. 2304
LG Coburg
In Waldgebieten müssen Kraftfahrer (1) mit verstärktem Wildwechsel (2) rechnen und ihr Fahrverhalten dementsprechend anpassen. Die Pflicht zur Aufstellung von Warnschildern besteht nur an besonders gefährlichen Streckenabschnitten. Es liegt daher kein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht vor, wenn ein Kraftfahrer in einem Waldstück mit Wild kollidiert. Bei der Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Gefahren, die dem Verkehr auf der Straße von Wild drohen, gilt es zu bedenken, dass Wild herrenlos und eine natürliche Erscheinung ist. Es ist nicht Aufgabe des Verkehrssicherungspflichtigen, sämtliche Strecken, auf denen Wildwechsel möglich sind, zu sichern.
Rz. 2305
AG Westerburg
Kommt bei einem Verkehrsunfall als unabwendbares Ereignis ein Tier zu Tode, so ist das Beseitigen des Tieres durch den Jagdpächter nicht von einem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Schädigers zur Entsorgung des Tierkadavers getragen. Liegt eine Verkehrssicherungspflicht vor, so sind nur Aufwendungen zu ersetzen, die aus Maßnahmen zur Entfernung des verendeten Tieres von der öffentlichen Straße resultieren. Der Ersatz für die Aufwendungen zur Entsorgung des Tierkadavers durch den Jagdpächter ist von der Verkehrssicherungspflicht des das Tier überfahrenden Fahrers nicht mehr gedeckt.