Rz. 2610
Rz. 2611
OLG Stuttgart
Münden zwei Nebenstraßen von derselben Seite nebeneinander in einen gemeinsamen Einfahrtsbereich in eine Vorfahrtstraße, gilt für die Benutzer der Nebenstraßen untereinander die rechts-vor-links-Regel des § 8 Abs. 1 S. 1 StVO. Ein für die Benutzer der Vorfahrtstraße auf dem Gehweg zwischen den Nebenstraßen angebrachtes Zeichen 301 (Vorfahrt) regelt nicht die Vorfahrt im Verhältnis der Benutzer der Nebenstraßen untereinander, wenn der Bereich der Vorfahrtstraße vom gemeinsamen Einfahrtbereich der Nebenstraßen durch eine Leitlinie (Zeichen 340) abgegrenzt ist. Fahrer (1) haftet gegenüber Fahrer (2) zu 60 %, Fahrer (3) haftet gegenüber Fahrer (4) zu ⅔.
Rz. 2612
KG
Münden zwei Straßen, deren Verhältnis zueinander nicht durch den Vorrang regelnde Zeichen bestimmt wird, von derselben Seite und in einem gemeinsamen Kreuzungsbereich in eine Straße, die beiden gegenüber durch entsprechende Zeichen bevorrechtigt ist, gilt im Verhältnis der beiden einmündenden Straßen § 8 Abs. 1 StVO. Die in die Vorfahrtsstraße einmündenden Straßen sind jeweils mit dem Zeichen 205 der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO, ergänzt durch das den Verlauf der Vorfahrtstraße anzeigende Zusatzzeichen, gegenüber der Vorfahrtsstraße als wartepflichtig ausgewiesen. Für die Unfallbeteiligten untereinander galt: Vorfahrt hat, wer von rechts kommt (§ 8 Abs. 1 StVO). Wenn gleichwohl beide Beteiligte je zu 50 % haften, was hier das angemessene Ergebnis der gem. §§ 17 StVG, 254 BGB vorzunehmenden Abwägung ist, beruht dies darauf, dass der von links kommende Fahrzeugführer den Einmündungsbereich erkennbar vor dem ihm gegenüber von rechts kommenden Fahrzeugführer erreicht hatte.
Rz. 2613
OLG Hamm
Bei einer Kreuzung mit nach links abknickender Vorfahrtstraße erstreckt sich das Vorrecht auf den gesamten platzartig erweiterten Kreuzungsbereich, auch wenn der Verlauf der Vorfahrtstraße nach links durch eine ununterbrochene Linie markiert ist. Wer die Vorfahrtstraße geradeaus in eine untergeordnete Straße verlässt, ist gegenüber einem von rechts aus der (weiteren) Nebenstraße Kommenden vorfahrtberechtigt. Dieser muss außerhalb der platzartigen Erweiterung anhalten. Die Verpflichtung zum Blinken besteht für denjenigen, der dem Verlauf der Vorfahrtstraße folgt, nicht aber für denjenigen, der sie geradeaus fahrend verlässt. Der Vorfahrtberechtigte (4) muss aber eine Fehlbeurteilung der Verkehrsregelung durch andere in Betracht ziehen. Verletzt er diese Pflicht, haftet er zu ⅓.
Rz. 2614
OLG Köln
Beschreibt eine Vorfahrtstraße eine scharfe Linkskurve und münden im Scheitelpunkt der Kurve von rechts dicht beieinander zwei untergeordnete Straßen ein, so gilt für die Benutzer der Nebenstraßen untereinander der Grundsatz "rechts vor links". Die beiden unmittelbar nebeneinander liegenden Einmündungen bilden im Einmündungsbereich eine Einheit.
Rz. 2615
LG Hannover
Liegt die entscheidende Unfallursache in dem Vorfahrtsverstoß des Beklagten, ist aber eine Mithaftung des Klägers wegen einer erhöhten Betriebsgefahr aufgrund des Verstoßes gegen die Pflicht, die Geschwindigkeit bei Annäherung an die Kreuzung zu reduzieren sowie der Beschränkung auf die Beobachtung der Verkehrssituation auf den von rechts kommenden Verkehr gegeben, haftet der Wartepflichtige zu ⅔.
Rz. 2616
LG Leipzig
An Kreuzungen, in denen zwei Nebenstraßen auf eine abknickende Vorfahrtstraße treffen, gilt für Verkehrsteilnehmer, die aus diesen Nebenstraßen in die Vorfahrtstraße einfahren, untereinander der Grundsatz "rechts vor links". Die Vorfahrtberechtigung erstreckt sich auf die gesamte Kreuzungsfläche. Der Vorfahrtberechtigte kann sich grundsätzlich darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht beachten. Wenn aber andere bevorrechtigte Verkehrsteilnehmer warten, kann dies für den Vorfahrtberechtigten (4) Anlass sein, sich zunächst zu vergewissern, dass das Einbiegen gefahrlos möglich ist. Kommt es zur Kollision, haftet er zu 20 %, wenn er das Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer nicht mit einkalkuliert hat.
Rz. 2617
LG Kempten/Allgäu
Verstößt ein Kfz-Fahrer an einer "rechts-vor-links" geregelten Kreuzung gegen seine Wartepflicht einem von rechts einfahrenden, bevorrechtigten Fahrzeugführer gegenüber, haftet er zu 100 %. Der Vertrauensgrundsatz gilt insbesondere auch in den Fällen einer sog. "halben Vorfahrt", also dann, wenn an einer Einmündung die Regel "rechts-vor-links" gilt.
Rz. 2618
AG Senftenberg
Hat sich der Vorfahrtsberechtigte an einer unübersichtlichen Einmündung vor einer Kreuzung nicht dahingehend vergewissert, dass sein Vorfahrtsrecht von einem weiteren Verkehrsteilnehmer erkannt und gewahrt wird, haftet er bei einer Kollision zu 20 %. Zwar besteht der Grundsatz, dass auch bei "halber Vorfahrt" nach der Regel "rechts vor links" der Wartepflichtige alleine haftet. Etwas anderes gilt jedoch, wenn Umstände vorliegen, die für den Vorfahrtsberechtigten die Möglichkeit einer Vorfahrtsverletzung nahelegen. Dies muss ang...