Rz. 2632
Rz. 2633
OLG Nürnberg
Fahrer (2) fährt bei dichtem Nebel und hierdurch erheblich eingeschränkter Sicht (Sichtweite ca. 40 m) zu schnell. Er haftet bei einem Zusammenstoß mit einem wartepflichtigen Fahrzeug (1) zu 75 %. Bei nebelbedingt schlechten Sichtverhältnissen gilt der Vertrauensgrundsatz nur in eingeschränktem Umfang. Der Vorfahrtberechtigte (2) muss sich aus dem Gesichtspunkt der gegenseitigen Rücksichtnahme im Straßenverkehr heraus durch entsprechende Verringerung oder Geschwindigkeit auch darauf einstellen, dass die wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer sein Herannahen nur sehr schlecht erkennen können.
Rz. 2634
KG
Ist die Vorfahrt nicht besonders geregelt, müssen sich alle Verkehrsteilnehmer einer Kreuzung mit mäßiger Geschwindigkeit nähern. Sie haben dem jeweils von rechts kommenden Verkehrsteilnehmer Vorfahrt einzuräumen und müssen deshalb in der Lage sein, anzuhalten. Diese, mit "halbe Vorfahrt" umschriebene, Situiation schützt auch den von links kommenden Wartepflichtigen. Der Vorfahrtsberechtigte muss sich deshalb bei einem Zusammenstoß in der Regel die Betriebsgefahr seines Kfz anrechnen lassen (§§ 17, 9 StVG, 254 BGB). Diese Haftungsgrundsätze gelten allerdings nur für nach rechts schlecht einsehbare Kreuzungen. Bei guter Sicht muss sich der Vorfahrtsberechtigte die Betriebsgefahr seines Kfz nicht anrechnen lassen. Der "halb" Vorfahrtsberechtigte kann die für ihn von rechts kommende Straße rechtzeitig und weit einsehen und ist in der Lage, sich auf den Querverkehr einzustellen.
Rz. 2635
OLG Köln
Kollidiert ein Linksabbieger (1) mit einem entgegenkommenden Fahrzeug (2), dessen Betriebsgefahr nicht durch übermäßige Geschwindigkeit oder sonstige feststehende Umstände erhöht ist, tritt die Betriebsgefahr des Entgegenkommenden bei der Abwägung der Verursachungsanteile regelmäßig völlig zurück. Dies gilt unbeschadet einer im weiteren Umfeld der übersichtlichen Kreuzung (von Bundes- und Landesstraße) bestehenden Sichtbehinderung durch Nebelschwaden oder Nebelbänke jedenfalls dann, wenn der Linksabbieger durch vorübergehendes Anhalten auf der Abbiegespur das Vertrauen des bei gesteigerter Aufmerksamkeit rechtzeitig erkennbaren Motorradfahrers auf die Beachtung seiner Vorfahrt begründet hat.
Rz. 2636
OLG München
Einer 15-jährigen Fahrradfahrerin muss die Bedeutung des für sie deutlich sichtbaren Vorfahrtgewähren-Schilds bekannt sein. Fährt sie ungebremst über die querende vorfahrtberechtigte Straße, war sie für den auf der Vorfahrtsstraße befindlichen Fahrzeugführer wegen einer sie verdeckenden Hecke nicht sichtbar und kollidiert sie dort mit dem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug, haftet sie zu 100 %.
Rz. 2637
OLG München
Kommt es an einer schlecht einsehbaren Einmündung zu einer Kollision zwischen einem Fahrzeug und einem Motorrad, haftet der Wartepflichtige zu 70 % und der Vorfahrtsberechtigte, dem bei Wahrnehmung des Kfz ein Ausweichen oder ein maßvolles Bremsen jederzeit zumutbar ist, zu 30 %. Zwar gilt im Straßenverkehr auch in der konkreten Situation grds. der sog. Vertrauensgrundsatz. Ein maßvolles Bremsen ist bei den heute gegebenen Verkehrsverhältnissen einem Vorfahrtsberechtigten jederzeit zumutbar.