Rz. 2729
Rz. 2730
KG Berlin
Fahrer (1), der auf einer breiten Großstadtstraße wenden will, kollidiert hierbei mit einem Pkw (2), der um ca. 50 % zu schnell ist. Fahrer (2) haftet wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung zu 50 % mit, obwohl Fahrer (1) unachtsam war.
Rz. 2731
KG Berlin
Der Vertrauensgrundsatz, dass der auf der Fahrbahn Wendende den Wendevorgang vorschriftsmäßig durchführen will, gilt nicht für den sich dem Wendenden nähernden Fahrzeugführer, der trotz nahe liegenden Zweifels, dass der Wendende seine Annäherung bemerken konnte, hinter dem quer zur Fahrbahn stehenden Wendenden durchfahren will. Der Wendende (1) haftet zu ¾, der von rückwärts ankommende Fahrer (2) zu ¼.
Rz. 2732
OLG Celle
Wendet ein Fahrzeugführer und kommt es dabei zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug, spricht der Anscheinsbeweis für das Verschulden des Wendenden, wenn keine Beweise für den tatsächlichen Unfallvorgang vorliegen.
Rz. 2733
OLG Celle
Im Falle der Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit um 46,5 % überwiegt der Haftungsanteil des zu schnell Fahrenden (2) denjenigen des unzulässigen Wendenden (1), sofern aufgrund der örtlichen Gegebenheiten das unzulässige Wenden durch die Geschwindigkeitsüberschreitung deutlich in den Hintergrund gedrängt wird. Dem Grunde nach haftet Fahrer (2) dem Wendenden (1) für die Unfallfolgen zu 75 %. Fahrer (2) hat die im Unfallbereich angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um 18,6 km/h, also um 46,5 %, überschritten. Die Geschwindigkeitsüberschreitung steht unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse als Unfallursache deutlich im Vordergrund.
Rz. 2734
OLG Hamm
Trotz der hohen Sorgfaltspflichten haftet der Wendende (1) nur zu 50 %, wenn in einem Wohngebiet der von hinten herankommende Bevorrechtigte (2) erheblich zu schnell fährt (mit mindestens 50 km/h statt erlaubter 30 km/h) und zudem wesentlich zu spät auf das für ihn erkennbare Wenden reagiert. Die Wendende (1) hat gegen die §§ 9 Abs. 5, 10 Abs. 1 S. 1 StVO verstoßen, da sie beim Anfahren vom Fahrbahnrand und beim Wenden sich nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Das Wendemanöver hätte zurückgestellt werden müssen, da erkennbar war, dass das Wenden nicht in einem Zug möglich ist und mindestens einmal zurückgesetzt werden muss.
Rz. 2735
OLG Düsseldorf
Der Fahrer eines Reinigungsfahrzeugs, das vom rechten Fahrbahnrand auf den linken wechseln will, um dort seine Arbeit fortzusetzen, muss zunächst den linken Blinker setzen und die hohen Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO beachten. Die Bedeutung des eingeschalteten gelben Blinklichts geht nicht über die Warnung vor Gefahren hinaus (§ 38 Abs. 3 S. 1 StVO). Bei einem Reinigungsfahrzeug bezieht sich diese Warnung nur auf Gefahren, die von dem Fahrzeug bzw. von den von ihm durchgeführten Arbeiten ausgehen. Das gelbe Blinklicht allein begründet keine unklare Verkehrslage i.S.v. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO. Kommt es beim Wenden zu einem Unfall, ist deshalb davon auszughehen, dass der Fahrer des Reinigungsfahrzeugs zu 100 % haftet.
Rz. 2736
OLG Düsseldorf
Wechselt ein Kfz-Fahrer, der sich auf der rechten von zwei Geradeausspuren befindet, zur Vorbereitung eines Wendemanövers auf die linke Geradeausspur und kollidiert er hierbei mit einem anderen, sich von hinten auf dieser Fahrspur nähernden Kfz, haftet er zu 100 %. Für den Verstoß gegen § 7 Abs. 5 durch diesen Fahrspurwechsel sprechen bereits Anscheinsbeweisgrundsätze.
Rz. 2737
OLG Koblenz
Der Schutzbereich des § 9 Abs. 5 StVO, der die strengen Sorgfaltspflichten des wendenden Verkehrsteilnehmers zum Gegenstand hat, bezieht sich auch auf den nachfolgenden Verkehr. Er erfasst nicht nur die Verkehrsteilnehmer in der Gegenrichtung, die bei der Richtungsänderung überquert werden soll. Vielmehr muss der Wendende den Verkehr aus beiden Fahrtrichtungen vorher vorbeilassen. Hatte der Auffahrende den nötigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten, während der Vordermann auf einer durchgezogenen Mittellinie hält, um diese zu überqueren und den Gegenverkehr abzuwarten, haften beide Beteiligte zu 50 %.
Rz. 2738
OLG Saarbrücken
Kommt es innerhalb einer geschlossenen Ortschaft zu einem Zusammenstoß zwischen einem mit nur leicht überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Motorrad (2) und einem auf der Straße wendenden Kfz (1), so haftet der Fahrer des Kfz zu 75 % für die entstandenen Schäden. Dies gilt auch unter Beachtung der geringeren Stabilität eines Motorrades gegenüber dem Pkw. Es mag gerechtfertigt erscheinen, in der Instabilität eines Motorrads einen die Betriebsgefahr beeinflussenden Faktor zu erblicken. Jedoch ist die Höhe der Betriebsgefahr nicht abstrakt zu berechnen. Vielmehr ist die Betriebsgefahr als Faktor bei der Abwägung der Verursacherbeiträge im Rahmen des § 17 Abs. 1 S. 2 StVG a.F. bezogen auf den konkreten Schadensfall zu beurteilen, da sich die Betriebsgefahr erst im Unfallgeschehen manifestiert. Die Höhe der Bet...