Rz. 2698
Rz. 2699
OLG München
Mangels Unfallspuren ist es streitig, ob die Kollision zwischen den Pkw (1) und (2) bei Dunkelheit und Regen im Einmündungsbereich oder erst 60 m weiter stattfand. (1) und (2) haften beide zu 50 % aus der Betriebsgefahr ihrer Kfz. Steht nicht fest, wo und wann eine Kollision stattgefunden hat, entfällt mangels typischen Geschehensablaufs die Anwendung des Anscheinsbeweises.
Rz. 2700
KG
Fährt ein Fahrzeug (1) in eine Bundesautobahn ein und kommt es dabei zu einem Auffahrunfall, richtet sich die Einordnung des Unfalls als Auffahrunfall oder als Verletzung der Vorfahrt nach den Umständen des Einzelfalls. Ob und inwieweit es sich um einen Unfall im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Einfahren eines Fahrzeugs in die Bundesautobahn handelt, oder ob nur noch ein reiner Auffahrunfall vorliegt, richtet sich, je nach den Umständen des Einzelfalls, in erster Linie nach der im Kollisionszeitpunkt seit dem Einfahren zurückgelegten Entfernung und in zweiter Linie nach der zu diesem Zeitpunkt erreichten Geschwindigkeit. Dabei kommt im Regelfall der zurückgelegten Entfernung die größere Bedeutung zu, weil sie als objektives Kriterium verlässlicher ist. Je größer die Entfernung zwischen der Einfahrtstelle und dem späteren Kollisionsort ist, desto eher wird es an dem genannten örtlichen und zeitlichen Zusammenhang fehlen.
Rz. 2701
OLG München
Hat nur die Verletzung der Vorfahrt einen Unfall verursacht und ist dem Vorfahrtsberechtigten kein Verkehrsverstoß vorzuwerfen, tritt seine Haftung aus Betriebsgefahr zurück und der Wartepflichtige haftet zu 100 %.
Rz. 2702
OLG Karlsruhe
Treffen ein gemeinsamer Geh- und Radweg und eine ohne Beschränkung dem Fahrzeugverkehr gewidmete Straße aufeinander, handelt es sich um eine Kreuzung im Sinne des § 8 Abs. 1 StVO, an der "rechts vor links" gilt. Ein Vorfahrtsberechtigter darf grundsätzlich auf die Beachtung seiner Vorfahrt vertrauen. Dieser Vertrauensschutz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Er darf sich dann nicht auf die Beachtung seiner Vorfahrt verlassen, wenn konkrete Umstände Anlass zu der Befürchtung geben, ein anderer Verkehrsteilnehmer werde die Vorfahrt verletzen. Solche Umstände können auch in den örtlichen Verhältnissen einer Einmündung liegen, wenn nämlich die vom Vorfahrtberechtigten befahrene Straße in eine Querstraße einmündet, ohne sich jenseits der Einmündung fortzusetzen (sog. T-Einmündung), und seine Straße für den Wartepflichtigen nicht oder nicht voll einsehbar ist
Rz. 2703
LG Frankfurt a.d. Oder
Fährt ein auf der Vorfahrtstraße fahrender Lenker (1) auf ein Kfz (2) auf, das unter Missachtung der Vorfahrt in die Vorrangstraße einbiegt, so spricht der erste Anschein nicht für ein Verschulden des Auffahrenden. Es besteht die Möglichkeit, dass der Unfall allein aufgrund eines Vorfahrtsverstoßes der Wartepflichtigen verursacht wurde. Da sich der Unfall kurz nach dem Einfahren auf eine vorfahrtberechtigte Straße ereignete, liegt ein vom Regelfall des Auffahrunfalls abweichender, atypischer Geschehensablauf vor. Denn solange sich die Wartepflichtige mit ihrem Fahrzeug noch nicht auf der Bundesstraße befand, konnte der Vorfahrtberechtigte keinen Sicherheitsabstand zu ihr halten.
Rz. 2704
LG Köln
Fährt ein Fahrzeugführer aus einer Tankstellenausfahrt in den Straßenverkehr ein und kommt es dabei zu einem Unfall, spricht der Anscheinsbeweis für einen Verstoß des Fahrers gegen § 10 StVO. Er haftet deshalb zu 100 %. Der Anscheinsbeweis kann aber erschüttert werden. Der Fahrer ist hierin erfolgreich, wenn der Unfallgegner des aus der Tankstelle Ausfahrenden die Fahrzeugkolonne, in die der Ausfahrende einfahren möchte, links überholt, um auf die Linksabbiegerspur zu fahren. Übersieht er dabei die Lücke, in die der Ausfahrende einfährt, haftet er bei einer Kollision zu 50 %. Der Überholende muss zwar mit einem aus einer Tankstelle ausfahrenden Kfz nicht in dem Umfang rechnen wie mit einem Fahrzeug, das aus einer untergeordneten Seitenstraße kommt. Er muss jedoch die Erkennbarkeit der Lücke berücksichtigen.
Rz. 2705
LG Saarbrücken
Kommt es im Einmündungsbereich zweier Straßenzüge zur Kollision zwischen einem aus einer untergeordneten Straße einbiegenden Pkw und einem aus einer Bushaltebucht in die bevorrechtigte Straße einfahrenden Fahrzeug, ist das Kerngeschehen eines Anscheinsbeweises (Verstoß des an sich Wartepflichtigen gegen § 8 StVO) daher erschüttert. In Betracht kommt allerdings ein Sorgfaltsverstoß nach § 1 Abs. 2 StVO. Der räumliche und zeitliche Zusammenhang mit einem Einfahren in den fließenden Verkehr gemäß § 10 StVO ist so lange gegeben, bis jede Auswirkung des Anfahrvorgangs auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen ist. Kommt es zu einer Kollision im Einmündungsbereich einer Kreuzung zwischen einem auf der wartepflichtigen Straße einbiegenden und einem erst kurz vor der Kreuzung vom Fahrbahnrand auf die bevorrechtigte Straße angefahrenen Fahrzeug, haftet der vom Straßenrand angefahrene Fahrzeugfü...