Rz. 1508

 

Hinweis

Nach den seit 1.8.2002 geltenden Änderungen des BGB und des StVG haften Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr für Unfälle mit motorisierten Fahrzeugen im Straßenverkehr nicht, es sei denn, sie handeln vorsätzlich. Selbst wenn den Fahrer kein Verschulden trifft, haftet der Halter zu 100 % bei Unfällen mit Kindern bis zehn Jahre. Eine Möglichkeit, sich zu entlasten, sieht § 7 Abs. 2 StVG nur noch bei "höherer Gewalt" vor. Ein Mithaftungseinwand unterbleibt wegen § 828 Abs. 2 BGB. War das Kfz ordnungsgemäß abgestellt, kommt die Privilegierung des Kindes nicht zum Tragen.

 

Rz. 1509

 

Rz. 1510

OLG Braunschweig[1413]

Den achtjährigen Radfahrer (1), der unachtsam eine bevorrechtigte Straße überquert, trifft ein geringeres Mitverschulden als ein älteres Kind oder einen Jugendlichen in vergleichbarer Situation (hier: 20 %). Die Pkw-Fahrerin (2) haftet zu 80 %, da sie bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (gefahrene Geschwindigkeit 68 km/h) und rechtzeitiger Reaktion nach dem Blick auf den von rechts über einen Weg herankommenden Radfahrer noch 2,5 m vor dem späteren Kollisionsort hätte anhalten können. (Vgl. auch Hinweis in Rdn 1508)

 

Rz. 1511

BGH[1414]

Ein Kraftfahrer (2) darf grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass ein Kind (1) anhalten wird, wenn es mit einem Fahrrad auf die Fahrbahn zufährt und nicht eindeutig erkennen lässt, dass es rechtzeitig abbremsen werde. Trotz Berücksichtigung des Vertrauensgrundsatzes, der auch gegenüber Kindern gilt, widerspricht das Fahrverhalten des Fahrzeugführers den Sorgfaltsanforderungen des § 3 Abs. 2a StVO, wenn es zum Unfall mit dem Kind kommt. Zwar hat das Kind bei Annäherung an den Kreuzungsbereich seine Fahrt verlangsamt und auf den bevorrechtigten Verkehr geschaut, dennoch konnte der Fahrer sich nicht sicher sein, dass es rechtzeitig anhält, zumal es auf einem Radweg fuhr, der in eine auf der Fahrbahn eingezeichnete Furt einmündet. Eine solche Furt kann vor allem bei Kindern die Vorstellung erwecken, sie hätten Vorfahrt. In Anbetracht dieser unklaren Verkehrssituation war der Fahrer daher verpflichtet, seine Geschwindigkeit zu reduzieren, bis er sicher sein konnte, dass das Kind rechtzeitig anhält.

 

Hinweis

Das Kind in dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall war zehn Jahre alt. Auch nach dem seit 1.8.2002 geltenden Recht würde der Halter des Kfz zwar nach § 7 Abs. 1 StVG haften. Er kann jedoch das Verschulden des Kindes mitanführen. § 828 Abs. 2 BGB gilt nur für Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr. § 254 BGB kann berücksichtigt werden entsprechend dem Einsichtsvermögen des Kindes (§ 828 Abs. 3 BGB).

 

Rz. 1512

OLG Oldenburg[1415]

Wenn ein Autofahrer (2) bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h einen elfjährigen Jun­gen (1) erfasst, der mit seinem Fahrrad ohne Beachtung des fließenden Verkehrs auf einen Zebrastreifen einbiegt, ist von einem Mitverschulden des verletzten Jungen von ⅔ auszugehen. Der Radfahrer hat sich vor seinem Abbiegemanöver nicht nach hinten umgeschaut. Eine derart zwingend gebotene und nahe liegende Vorsichtsmaßregel musste von ihm auch in Anbetracht seines Alters erwartet werden.

 

Rz. 1513

OLG Brandenburg[1416]

Ein Autofahrer (2) haftet nicht für Schäden, die einem zwölfjährigen Radfahrer (1) dadurch entstehen, dass es zu einer Kollision gekommen ist, nachdem der Radfahrer plötzlich hinter einem stehenden Fahrzeug hervorkam und die Straße kreuzte. Der Autofahrer haftet dann weder aus dem Verschuldensgesichtspunkt noch wegen der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs. Zwar müssen sich gem. § 3 Abs. 2a StVO Fahrzeugführer gegenüber Kindern so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jedoch muss sich der Kraftfahrer nicht immer und unter allen Umständen darauf gefasst machen, dass sich ein in der Nähe befindliches Kind unbesonnen verhalten werde. Das gilt jedenfalls für ältere Kinder, bei denen Kenntnisse elementarer Verkehrsregeln vorausgesetzt werden. Der Fahrer hat sich ordnungsgemäß verhalten. Das Verschulden des Kindes überwiegt so stark, dass die minimale Betriebsgefahr des Autofahrers zurücktritt.

 

Rz. 1514

OLG Saarbrücken[1417]

Nach Änderung des § 7 Abs. 2 StVG durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften ist bei Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Kraftfahrzeugen und erwachsenen, nicht hilfsbedürftigen Radfahrern ein vollständiger Haftungsausschluss nur noch in besonderen Einzelfällen möglich. Davon ist auszugehen, wenn der einfachen Betriebsgefahr des Kfz-Halters ein grob verkehrswidrigesVerhalten des Radfahrers gegenübersteht. Grobes Verschulden ist anzunehmen, wenn ein wartepflichtiger Radfahrer ohne Vergewisserung, ob die Straße frei ist, und ohne Halt aus einem Feldweg auf eine Landstraße einbiegt. Kommt es hierbei zu einer Kollision mit einem Kfz, haftet der Fahrradfahrer zu ⅔.

 

Rz. 1515

OLG Stuttgart[1418]

Bemerkt ein Pkw-Fahrer (2) innerorts aus einer Entfernung von 40 m, dass ein Radfahrer (1) sich unsicher bewegt, haftet er für den Schaden, der sich da...

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