Rz. 2542
Rz. 2543
BGH
Fahrer (1) und Fahrer (2) glauben jeweils, Vorfahrt zu haben: Fahrer (1), weil er von rechts kommt, Fahrer (2), weil die einmündende Stichstraße über einen abgesenkten Bordstein führt. Eine über abgeflachte Bordsteine "überführte" Zufahrt ist, wenn sie die Merkmale einer öffentlichen Straße aufweist, einmündende Straße im Sinne der Vorfahrtsregel "rechts vor links" (§ 8 Abs. 1 S. 1 StVO), auch wenn sie für den von links kommenden Kraftfahrer dem ersten optischen Eindruck nach als eine Grundstücksausfahrt im Sinne des § 10 StVO erscheint. Schwierigkeiten, derart "überführte" Zufahrten als vorfahrtberechtigte Einmündungen zu erkennen, sind über das Verschuldenserfordernis und über die Regelung des § 11 Abs. 2 StVO aufzufangen. Der Verkehr auf einer solchen "überführten" Zufahrt muss sich, wenn das sich ihm bietende Gesamtbild keinen Raum für ein Vertrauen in die Beachtung seiner Vorfahrt durch den querenden Verkehr zulässt, wie der Benutzer einer Grundstücksausfahrt besonders sorgfältig verhalten.
Rz. 2544
OLG Hamm
Biegt ein Fahrzeugführer aus einem Grundstück auf die Straße ein und will er unmittelbar danach links in eine Straße abbiegen, haftet der ihn überholende Fahrzeugführer wegen des schweren Verschuldens des Abbiegenden auch aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr seines Kfz nicht. Diese tritt hinter das überwiegende Verschulden des anderen Unfallbeteiligten vollständig zurück.
Rz. 2545
OLG Hamm
Sind gem. § 17 StVG die beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile an einem Unfall abzuwägen, ist auf beiden Seiten neben der Betriebsgefahr ein schuldhafter Verkehrsverstoß einzubeziehen. Bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit und bei aufmerksamer Fahrweise hätte der Vorfahrtberechtigte (2) den Unfall unschwer durch eine Ausgleichsbremsung vermeiden können. Die Fahrerin (1) trifft eine erhebliche Mitschuld. Sie hat unfallursächlich gegen § 10 StVO verstoßen. Nach § 10 StVO hat der über einen abgesenkten Bordstein Einfahrende (1) sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Rz. 2546
OLG Saarbrücken
Nach Änderung des § 7 Abs. 2 StVG durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften ist bei Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Kraftfahrzeugen und erwachsenen, nicht hilfsbedürftigen Radfahrern ein vollständiger Haftungsausschluss nur noch in besonderen Einzelfällen möglich. Dies gilt insbesondere dann, wenn der einfachen Betriebsgefahr des Kfz-Halters ein grob verkehrswidriges Verhalten des Radfahrers gegenübersteht. Hiervon ist ohne Weiteres auszugehen, wenn ein wartepflichtiger Radfahrer blindlings und ohne Halt aus einem Feldweg auf eine Landstraße einbiegt. Kommt es hierbei zu einer Kollision mit einem Kfz, haftet der Fahrradfahrer zu ⅔.
Rz. 2547
OLG Zweibrücken
Bei "überführten" Straßenmündungen findet die Vorfahrtsregel in § 8 Abs. 1 S. 1 StVO keine Anwendung. Vielmehr gilt für den Benutzer (1) der – hier durch Bürgersteig und gleichmäßig abgesenkten Bordstein – überführten Straße § 10 S. 1 StVO. Für ihn gilt die höchste Sorgfaltsanforderung und Wartepflicht.
Rz. 2548
OLG Koblenz
Verläuft ein Gehweg durchweg auf dem gleichen Höhenniveau wie die parallel dazu verlaufende Fahrbahn, so ist dieser Gehweg nicht als sog. abgesenkter Bordstein zu klassifizieren. Steht einem Verkehrsteilnehmer ein Vorfahrtsrecht zu, welches nicht ohne weiteres für andere offensichtlich ist, darf er dieses nicht ohne ein gewisses Maß an Vorsicht ausüben, solange die Verletzung seines Rechts durch andere nicht auszuschließen ist. Es widerspricht nämlich dem Empfinden des durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers, dass eine seitlich über einen Gehweg geleitete und in der Fahrbahngestaltung durch diesen unterbrochene Straße dennoch vorrangig sein soll. Auch ist ein solcher Sachverhalt für jeden ortsunkundigen Verkehrsteilnehmer nur schwer zu erkennen. Grundsätzlich muss jedoch für jeden Kraftfahrzeugführer überall und zu jeder Tageszeit klar erkennbar sein, welche Pflichten sich für ihn im Straßenverkehr ergeben.
Rz. 2549
OLG Koblenz
Unabhängig von der Bedeutung der zusammentreffenden Verkehrswege ist derjenige Kraftfahrzeugfahrer (1), der einen abgesenkten Gehweg überqueren muss, wartepflichtig und muss aus diesem Grund beim Einfahren in den querenden Verkehrsweg besondere Vorsicht walten lassen. § 8 Abs. 1 S. 1 StVO findet insoweit keine Anwendung. Da (1) nur über einen abgesenkten Bordstein die Straße erreichen konnte, war er nach § 10 S. 1 StVO gehalten, die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, was bedeutet, dass er nicht vorfahrtberechtigt sein konnte. Er musste deshalb den fließenden Verkehr beachten und durfte seinerseits nur einfahren, nachdem (2) die Kreuzung passiert hatte. Dabei verdrängt § 10 StVO die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 S. 1 StVO.
Rz. 2550
OLG München
Die Einstufung als Ausfahrt nach § 10 StVO erfolgt nach den äußerlich erkennbaren Merkmalen. Eine Ausf...