Rz. 2554

 

Rz. 2555

OLG Karlsruhe[2399]

Fahrer (1) biegt in die Vorfahrtstraße ein, obwohl sich ein Vorfahrtberechtigter (2) nur 10 bis 15 m entfernt in gleicher Richtung nähert. 7 m hinter der Kreuzungsfläche kommt es zum Auffahrunfall durch Pkw (2) nach 2 m Blockierspur. Fahrer (1) haftet zu 100 %. Zwar bildet grundsätzlich das sog. "Einmündungsviereck" den Vorfahrtsbereich. Eine Vorfahrtsverletzung kann aber auch gegeben sein, wenn Fahrzeuge nicht im eigentlichen Kreuzungs- oder Einmündungsbereich kollidieren, sondern auch dann, wenn ihre Fahrlinien wegen der Vorfahrtsverletzung außerhalb des Kreuzungs- oder Einmündungsbereichs einander tangieren und der Vorfahrtberechtigte in seiner Weiterfahrt behindert wird. Dies gilt sowohl im gegenseitigen Verhältnis von Vorfahrtberechtigten untereinander als auch gegenüber aus untergeordneten Straßen Abbiegenden.

 

Rz. 2556

BGH[2400]

Der Benutzer einer bevorrechtigten Straße ist gegenüber Verkehrsteilnehmern, die auf einer einmündenden oder die Vorfahrtsstraße kreuzenden, nicht bevorrechtigten Straße herankommen, so lange vorfahrtsberechtigt, bis er die Vorfahrtsstraße mit der ganzen Länge seines Fahrzeugs verlassen hat. Nach dieser Rechtsprechung hat der Fahrer, der dem Verlauf einer nach links abknickenden Vorfahrtsstraße nicht folgt, sondern geradeaus weiterfährt, in dem gesamten Kreuzungsbereich die Vorfahrt gegenüber dem von rechts kommenden Verkehr.

 

Rz. 2557

KG[2401]

Ein Fahrzeug, das aus dem ruhenden Verkehr in den fließenden Verkehr einfährt, wird wie ein einfahrendes Fahrzeug behandelt. Sein Führer muss besonders sorgfältig sein und den fließenden Verkehr beachten. Der Einfahrvorgang ist nicht abgeschlossen, wenn das Fahrzeug nur eine Weile in der Einfädelposition gehalten hat und nicht vollständig im fließenden Verkehr angekommen ist. Nach dieser Rspr. hat der Fahrer, der dem Verlauf einer nach links abknickenden Vorfahrtsstraße nicht folgt, sondern geradeaus weiterfährt, in dem gesamten Kreuzungsbereich die Vorfahrt gegenüber dem von rechts kommenden Verkehr.

 

Rz. 2558

OLG Frankfurt a.M.[2402]

Ein Linienbus behält sein Vorfahrtsrecht gegenüber von rechts kommendem untergeordneten Verkehr, auch wenn er zum Erreichen der hinter der Einmündung und außerhalb der eigentlichen Fahrbahn liegenden Haltestelle eine gestrichelte Fahrbahnbegrenzung überfahren muss. Die Betriebsgefahr des Linienbusses tritt bei Abwägung der Verursachungsbeiträge gem. § 17 StVG in vollem Umfang zurück, wenn der Fahrer mit geringer Geschwindigkeit gefahren ist, das wartepflichtige Fahrzeug wahrgenommen hat und auf Beachtung seines Vorrangs vertrauen durfte.

 

Rz. 2559

OLG München[2403]

Biegt ein Fahrzeugführer in eine Vorfahrtsstraße ein und kommt es mit einem sich auf der Vorfahrtsstraße befindlichen Kfz zu einem Unfall, handelt es sich um einen Auffahrunfall, wenn der Einfahrende das an der Unfallstelle ortsübliche Geschwindigkeitsniveau bereits erreicht hatte. Ist dies der Fall, haftet der Auffahrende zu 100 %.

 

Rz. 2560

LG Frankfurt a.d. Oder[2404]

Fährt ein auf der Vorrangstraße fahrender Pkw-Fahrer (2) auf ein Kfz (1) auf, das unter Mißachtung der Vorfahrt in die Vorrangstraße einbiegt, spricht der erste Anschein gegen ein Verschulden des Auffahrenden. Da sich der Unfall kurz nach dem Einfahren auf eine vorfahrtsberechtigte Straße ereignete, liegt ein vom Regelfall des Auffahrunfalls abweichender, atypischer Geschehensablauf vor. Denn solange sich die Wartepflichtige (1) mit ihrem Fahrzeug noch nicht auf der Bundesstraße befand, konnte der Auffahrende (1) keinen Sicherheitsabstand zu ihr halten.

 

Rz. 2561

LG Essen[2405]

Verletzt ein Kraftfahrer beim Ausfahren aus einer Straße auf eine bevorrechtigte Straße seine Wartepflicht und kommt es daraufhin in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, spricht ein Anscheinsbeweis für eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung. In einem solchen Fall haftet der Ausfahrende zu 100 %. Für eine Vorfahrtsverletzung kommt es nicht darauf an, dass der Zusammenstoß genau im Schnittpunkt der Kreuzung stattgefunden hat, sondern dass es um den engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang des Unfalls mit dem Einfahrvorgang geht.

 

Rz. 2562

LG Darmstadt[2406]

Tastet sich ein Pkw-Fahrer langsam an den Trichter einer Einfahrt heran, haftet er nicht für einen Schaden, den ein Motorradfahrer erleidet, weil er aus Schreck vom Motorrad stürzt. Für den Pkw-Fahrer stellt sich der Unfall als unabwendbares Ereignis dar. Eine Vorfahrtsverletzung kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden.

 

Rz. 2563

AG Berlin-Mitte[2407]

Der nach § 8 StVO geschützte Kreuzungsbereich erstreckt sich auf die gesamte Kreuzungsfläche (Einmündungsviereck und linke Fahrbahnseite der untergeordneten Straße). In diesem Bereich gilt der Vertrauensgrundsatz, dass ein Wartepflichtiger die Vorfahrt beachten werde. Dies gilt selbst dann, wenn der andere Verkehrsteilnehmer zunächst nicht sichtbar ist. Bei einer unübersichtlichen Kreuzung darf sich der Wartepflichtige vorsic...

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