Rz. 417
Rz. 418
OLG Karlsruhe
Die Betriebsgefahr eines vorausfahrenden Kfz (1) mit schadhaften Bremsleuchten führt bei einem Auffahrunfall zu einer doppelt hohen Betriebsgefahr gegenüber dem auffahrenden Fahrzeug (2). Der Fahrer des bremsenden Fahrzeugs (1), dessen Bremslichter nachweislich nicht funktionierten, haftet zu ⅔. Der Fahrer eines nachfolgenden Kfz muss sich darauf verlassen können, dass ihm über das Aufleuchten der Bremsleuchten ein Bremsvorgang angezeigt wird. Andererseits kann er bei einer erkennbar einmündenden vorfahrtsberechtigten Straße nicht damit rechnen, dass der Vorausfahrende ohne Abbremsen die Einmündung passieren kann. Der Unabwendbarkeitsbeweis kann nicht geführt werden.
Rz. 419
OLG Hamm
Gem. § 17 Abs. 4 StVO muss der Fahrzeugführer die Erkennbarkeit des Fahrzeugs in einer Entfernung sicherstellen, die es einem anderen Verkehrsteilnehmer ermöglicht, bei verkehrsgemäßem Verhalten den Zusammenstoß zu vermeiden. Vorkehrungen für eine Erkennbarkeit des Fahrzeugs auch bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und/oder bei einem Verstoß gegen das Gebot "Fahren auf Sicht" muss der Fahrzeugführer nicht treffen. (amtl. LS.). Ist das Fehlen lichttechnischer Einrichtungen gemäß § 53 StVZO (Schlussleuchten, Bremsleuchten, Rückstrahler) für die eingeschränkte Erkennbarkeit des Fahrzeugs kausal geworden, ist in die Abwägung der Verursachungsbeiträge ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1 S. 4 StVO einzubeziehen. Der Fahrzeugführer eines wegen Ausfallens der Beleuchtung schwer erkennbaren Fahrzeugs muss allerdings keine Vorkehrungen dafür treffen, dass sein Fahrzeug auch bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und bei einem Verstoß gegen das Gebot des "Fahrens auf Sicht" treffen. Fährt ein Fahrzeugführer auf das unbeleuchtete Fahrzeug auf, weil er nicht "auf Sicht" gefahren war, haftet er zu 60 % für den entstandenen Schaden.
Rz. 420
OLG Düsseldorf
Fährt ein Lkw-Fahrer (2) auf der Autobahn auf einen anderen Lkw (1) auf, so haftet er zu 100 % für den Schaden. Dies gilt trotz der Tatsache, dass am vorausfahrenden Lkw das linke Bremslicht defekt war. Die Betriebsgefahr des Lkw (1) war hierdurch nur leicht erhöht. Bei der Abwägung der Haftungsanteile gem. § 17 StVG überwiegt das Verschulden des Lkw-Fahrers (1), der mit unzureichendem Sicherheitsabstand hinter dem Lkw (1) unterwegs war. Die Betriebsgefahr des Lkw (1) tritt hinter dem schwerwiegenden Verkehrsverstoß des Fahrers (2) vollständig zurück.
Rz. 421
LG Berlin
Bremst ein vorausfahrendes Fahrzeug überraschend, um nicht mit einem aus einem Parkplatz ausfahrenden Fahrzeug zu kollidieren, haften der Auffahrende und der aus dem Parkplatz Ausfahrende zu jeweils 50 %, wenn der Auffahrende nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten hatte. Nach der Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 1 StVO muss der Abstand vor einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Diese Vorschrift geht davon aus, dass der nachfolgende Kraftfahrer mit einem plötzlichen Anhalten des Vordermannes, zu dem dieser gezwungen ist, rechnen muss. Der Kraftfahrer muss auch ein plötzliches scharfes Bremsen des Vordermannes einkalkulieren. Demzufolge muss der nachfolgende Kraftfahrer ein plötzliches Abbremsen des Vorausfahrenden in Rechnung stellen und deshalb Abstand halten.
Rz. 422
LG Berlin
Allein dadurch, dass die Bremsleuchten eines vorausfahrenden Pkw (1) defekt sind, ist der Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes Auffahren des Pkw-Fahrers (2) nicht zu entkräften. Nach einem vorausgegangenen Ampelhalt sowie zähflüssigen Kolonnenverkehr muss der Fahrer (2) jederzeit mit verkehrsbedingtem Anhalten und Bremsmanövern rechnen. Der Fahrer (2) muss deshalb in einer solchen Situation seine Geschwindigkeit und den Sicherheitsabstand diesen Gegebenheiten anpassen. Andererseits musste der Fahrer (1) vor Antritt der Fahrt überprüfen, ob die Bremsleuchten an seinem Fahrzeug funktionieren. Wegen des schuldhaften Verhaltens beider Fahrer ist bei einer Abwägung der Haftungsanteile nach § 17 StVG jeweils von einer Haftung von 50 % auszugehen.