Rz. 188
Rz. 189
LG Osnabrück
Ein Fahrzeug im fließenden Verkehr (2) muss einem Linienbus (1), der den linken Blinker gesetzt hat und aus einer Haltebucht ausfahren möchte, das Abfahren ermöglichen. Aus § 20 StVO ergibt sich, dass der Fahrer des im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeugs (2) nur vorsichtig an der Haltestelle vorbeifahren darf. Er muss sein Tempo verlangsamen oder sogar anhalten, um das Ausfahren zu ermöglichen. Bremst der Fahrer des im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeugs (2) zu spät ab, haftet er bei einer Kollision mit 60 % für den entstehenden Schaden.
Rz. 190
LG Hamburg
Kommt es in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Anfahren von einem Parkstreifen in den fließenden Verkehr zu einer Kollision mit einem dort fahrenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Kollision darauf beruht, dass der vom Parkstreifen einfahrende Fahrer die von § 10 StVO verlangte äußerste Sorgfalt nicht beachtet hat. Kann der Anscheinsbeweis nicht erschüttert oder gar widerlegt werden, wiegt der Verstoß gegen die besondere Sorgfaltspflicht beim An- bzw. Einfahren vom Parkstreifen so schwer, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des fließenden Verkehrs dahinter vollständig zurücktritt. Der Verstoß gegen die besondere Sorgfaltspflicht beim An- bzw. Einfahren vom Parkstreifen wiege so schwer, dass dahinter die Betriebsgefahr des Lkws des Beklagten zurücktritt. Der wartepflichtige (§ 8 StVO) bzw. vom Fahrbahnrand anfahrende (§ 10 StVO) Verkehrsteilnehmer gilt erst dann als gleichberechtigt auf der Vorfahrtstraße bzw. im fließenden Verkehr fahrend, wenn er sich im Vergleich zu den übrigen sich dort bewegenden Verkehrsteilnehmern ununterscheidbar und vollständig integriert hat. Dies soll nach hamburgischer Rechtsprechung dann der Fall sein, wenn er auf der Fahrbahn wenigstens 31 m zurückgelegt hat. Unter diesen Umständen haftet der Fahrzeugführer, der sich im fließenden Verkhr befunden hatte, nicht.
Rz. 191
KG
Kommt es bei Glatteis zu einem Unfall zwischen einem aus der Haltebucht anfahrenden Linienbus (1) und einem Pkw (2), haftet der Fahrer des Pkw (2) zu 50 %, wenn der Fahrer des Linienbusses (1) den Blinker rechtzeitig betätigt hatte.
Rz. 192
OLG Celle
Ein Pkw (hier: Kleinwagen), der auf einer 7 m breiten Straße verlangsamt und – zumindest teilweise – auf die rechts neben der Fahrbahn gelegene Bushaltestelle fährt, schafft keine unklare Verkehrslage dahingehend, dass der nachfolgende Verkehr mit einem Abbiegen nach links rechnen muss. Vielmehr spricht ein solches Fahrmanöver allein dafür, dass der auf die Busspur fahrende Pkw dort – möglicherweise verbotswidrig, aber nicht selten zu beobachten – kurz anhalten will, um Mitfahrer aussteigen zu lassen. Dass ein solches Fahrmanöver hingegen als "Ausschwenken" gedacht sein könnte, um in eine links der Straße gelegene Einfahrt oder Seitenstraße zu fahren, ist bei einem Pkw weder zu vermuten noch ernsthaft zu befürchten, weil es für ein solches Fahrverhalten keinerlei Veranlassung gibt.
Rz. 193
OLG Hamm
Bei einer Kollision zwischen einem anfahrenden Linienbus (1) und einem im Überholvorgang befindlichen Pkw (2) ist von einem erheblichen Verschulden des Pkw-Fahrers (2) auszugehen. Er muss dem ausfahrenden Linienbus gem. § 20 Abs. 2 StVO das Anfahren ermöglichen. Notfalls muss er anhalten. Diesen Anforderungen war der Fahrer des Pkw (2) nicht gerecht geworden. Er hätte den an der Haltestelle wartenden Bus ständig im Auge halten müssen. Dies wäre ihm auch möglich gewesen, weil er den wartenden Bus bereits 90 m vorher erkennen konnte. In Anbetracht der Tatsache, dass mit dem jederzeitigen Anfahren des Busses zu rechnen war, war seine vom Sachverständigen errechnete Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h für die Situation zu hoch. Der Fahrer des Pkw (2) haftet deshalb zu 100 %.
Rz. 194
OLG Düsseldorf
Fährt ein Pkw (2) mit 100 km/h bei feuchter Fahrbahn, haftet dessen Fahrer zu 80 %, wenn es zu einem Zusammenstoß mit einem aus der Haltebucht ausfahrenden Bus (1) kommt. Dessen Fahrer hatte den linken Blinker erst beim Anfahren gesetzt.