Rz. 1916
Unfallhelfer/Schaden
Rz. 1917
OLG Hamm
Der Halter eines Pkw (1), der bei Dunkelheit auf dem rechten Seitenstreifen der Autobahn anhält in der Absicht, einem zuvor in einem Abstand von ca. 35 m im Bereich der Mittelleitplanke verunfallten Pkw (2) notfalls Hilfe zu leisten, muss sich den Verursachungsanteil des verunfallten Fahrzeugs nicht nach den Grundsätzen der Haftungseinheit zurechnen lassen, wenn ein drittes Fahrzeug das Unfallfahrzeug zu spät erkennt und bei dem eingeleiteten Ausweichmanöver mit dem stehenden Pkw des Helfers kollidiert. Eine Anwendung der Grundsätze der Haftungseinheit – im Sinne einer Verantwortlichkeit mehrerer Beteiligter für ein und denselben Gefahrenumstand – ist nur anzunehmen, soweit ihre Tatbeiträge im Wesentlichen zu ein und demselben Schadensbeitrag verschmelzen, bevor dieser mit der vom Geschädigten gesetzten Kausalkette zusammentrifft und zum Schaden führt. Ohne eine solche Übereinstimmung der Schadensbeiträge ist eine identische Schadensquotelung unzulässig.
Rz. 1918
OLG Schleswig
Kollidiert ein Motorradfahrer beim Befahren des wegen einer Baustelle mit Warnbaken gesperrten rechten Fahrstreifens einer Autobahn mit einem Pkw, der vom mittleren Fahrstreifen über den gesperrten rechten Fahrstreifen zwecks Hilfeleistung auf den Seitenstreifen einschert, haftet der Motorradfahrer zu 100 %.
Rz. 1919
OLG Oldenburg
Leistet eine mit dem Fahrzeug liegengebliebene Person einem Pannenhelfer Hilfe, indem sie das Fahrzeug anschiebt und kommt sie dabei zu Sturz, greift der unfallversicherungsrechtliche Haftungsausschluss ein. Gemäß § 8 Nr. 2 StVG gelten die §§ 7 und 18 StVG nicht, wenn der Verletzte beim Betrieb des Kfz tätig war. Indem die Person das Kfz anschob, hat sie eine ernsthafte, wirtschaftlich bedeutsame Tätigkeit ausgeübt. Eine solche Hilfeleistung gehört zum klassischen Betätigungsfeld gewerblicher Abschlepp- und Pannenhilfeunternehmen. Insoweit hafte der Pannenhelfer, der das Fahrzeug zum Laufen bringen wollte, gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII nur für vorsätzlich herbeigeführte Personenschäden. Ein vorsätzliches Handeln sei jedoch nicht gegeben. Der Pannenhelfer hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass durch das Anschieben eine Person zu Schaden kommen könne. Erst recht habe er ein solches Ereignis nicht billigend in Kauf genommen.
Rz. 1920
OLG Hamm
Auch ein Privater (1), der kein Gewerbe betreibt, kann gem. § 636 RVO von der Haftung für die Verletzung eines Verunglückten (2) befreit sein, wenn dieser für ihn – sei es auch nur aus Gefälligkeit und nur vorübergehend – tätig wird und hierbei zu Schaden kommt. Ist der Verletzte dagegen nicht in arbeitnehmerähnlicher Weise tätig geworden, so dass er nur als sog. Nothelfer nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO geschützt ist, greift § 636 RVO nicht ein. In Fällen spontaner Hilfeleistung, in denen es oft zu Abgrenzungsproblemen zwischen dem Schutzbereich des § 539 Abs. 2 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO, in dem der "Unternehmer" haftungsrechtlich privilegiert ist, und demjenigen des § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO kommt, ist im Zivilrecht – ebenso wie für die Frage des Unfallversicherungsschutzes im Sozialrecht – maßgeblich, wie sich die Situation für den Helfer darstellte und welche Absicht er mit seinem Eingreifen verfolgte.
Rz. 1921
OLG Düsseldorf
Gegenüber dem unfallursächlichen Aufmerksamkeits- und Reaktionsverschulden des Pkw-Fahrers wiegt auch ein stark eigengefährdendes Verhalten des durch den Unfall schwer verletzten Helfers, der ein wegen eines anderen Unfalls aufgestelltes, dann aber umgestürztes Warndreieck wieder aufstellt und hierzu die Fahrbahn betritt, deutlich weniger schwer (ein Drittel). Da der Unfallhelfer weder Halter noch Führer eines beteiligten Fahrzeugs war, kommt eine Anspruchskürzung nach den §§ 17, 18 StVG nicht in Betracht. Es ist jedoch ein unfallursächliches Aufmerksamkeits- und Reaktionsverschulden und damit ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO festzustellen.
Rz. 1922
OLG Düsseldorf
Verursacht ein Pannenhelfer einen Personenschaden und wird er deshalb von der Person, der er helfen wollte, auf Schadenersatz in Anspruch genommen, kommt ihm das Haftungsprivileg des§ 105 SGB VII zugute.
Rz. 1923
OLG Jena
Hält ein Verkehrsteilnehmer seinen Pkw auf der linken Straßenseite an, um einem hilflos am Boden liegenden alkoholisierten Fußgänger Hilfe zu leisten, und ist hierdurch ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Ausweichen gezwungen, führt dies nicht zu einer Mithaftung des Helfenden, wenn bei einem darauffolgenden Unfall der Fußgänger vom ausweichenden Kfz überrollt wird.
Rz. 1924
OLG Koblenz
Der eine Unfallstelle mit Blaulicht absichernde Streifenwagen darf vorbehaltlich besonderer Fallgestaltungen auch gegen die Richtung des Gegenverkehrs auf dessen Fahrspur mit Blaulicht in eine Absicherungsposition gebracht werden. Auch wenn vorstellbar ist, dass ein so bei Dunkelheit mit Abblendlicht, Warnblinklicht und Blaulicht aufgestellter Polizeiwagen bei Verkehrsteilnehmern dazu beitragen kann, da...