Rz. 51

Die Bindungswirkung kann sich aber nach einer Entscheidung des OVG NRW vom 25.6.2012[35] ergeben, wenn sich aus den schriftlichen Urteilsgründen ein Sachverhalt ergibt, der erkennen lässt, dass sich das Gericht mit der Fahreignung befasst hat und zu welchem Ergebnis es gekommen ist.

Die Bindung der Verwaltungsbehörde gilt auch nach Abschluss des Strafverfahrens:[36] Sie darf im Entziehungsverfahren nach §3 Abs. 4 S. 1 StVG nicht negativ, sondern allenfalls positiv[37] von der strafgerichtlichen Entscheidung, die falsch oder richtig sein kann,[38] abweichen.

 

Rz. 52

Die Bindungswirkung ist daher nicht gegeben, wenn sich keine Ausführungen im Urteil finden lassen, die sich auf die Fahreignung beziehen. Das bedeutet unter Umständen, dass gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt werden muss, um eben diese Feststellungen in das Urteil hinein zu bekommen.

Die Bindungswirkung von Bußgeldentscheidungen nach §3 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 StVG beschränkt sich folgerichtig auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage und bezieht sich nicht auf die Fahreignung. Die Fahrerlaubnis kann also entzogen werden, wenn vorher ein Fahrverbot erlassen und der Führerschein nach Ablauf des Fahrverbots zurückgegeben wurde.[39] Wird der Betreffende im Bußgeldverfahren jedoch freigesprochen, ist auch dies als Beurteilung der Schuldfrage für die Verkehrsbehörde verbindlich.

 

Rz. 53

 

Praxistipp

Bei bereits im Ermittlungsverfahren mit der Strafverfolgungsbehörde geführten Gesprächen sollte deutlich gemacht werden, dass im Strafbefehlswege entschieden werden könnte, jedoch der Strafbefehlsantrag entsprechend spezifisch sein sollte. Ein Formulierungsvorschlag, der im Vorfeld schriftlich übermittelt wird, sollte dann in den Antrag Eingang finden: Denn die rechtskräftige Entscheidung, aufgrund derer die Behörde entscheiden muss, ist dann der Strafbefehl.

Zudem hat diese Vorgehensweise den Vorteil, dass bei einer Entscheidung im Strafbefehlswege unter Mitwirkung des Verteidigers und Wegfall der Hauptverhandlung die Gebührenvorschrift 4141 VV RVG Anwendung findet und die Befriedungsgebühr anfällt.[40]

[35] OVG NRW, Beschl. v. 25.6.2012 – 16 B 711/12, zfs 2012, 539 ff.
[36] Zu den Auswirkungen einer Aufhebung des Urteils im Wiederaufnahmeverfahren auf zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen der Fahrerlaubnisbehörde vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 26.1.2009, NJW 2009, 1160.
[37] BVerwG, Urt. v. 20.4.1994, NJW 1995, 70.
[38] VGH Mannheim, Beschl. v. 3.5.2010, DAR 2010, 412; VG Frankfurt, Beschl. v. 4.10.1990, NZV 1991, 207.
[39] Vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.1.1994 – 11 B 116/93, NJW 1994, 1672; OVG Münster, Beschl. v. 21.7.2004, DAR 2004, 721; VG Ansbach, Beschl. v. 3.9.2007, Blutalkohol 2008, 156.
[40] Reisert, Anwaltsgebühren im Straf- und Bußgeldrecht, §2 Rn 108.

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