Rz. 19

Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt nicht verpflichtet, ein Mandat zu übernehmen. Der Rechtsanwalt ist freier Unternehmer und kann deshalb frei entscheiden, welche Interessen und welchen Mandanten er vertreten möchte. Dabei wird der Rechtsanwalt die Übernahme eines konkreten Mandats aber auch immer an seinen persönlichen Fähigkeiten und seinen sachlichen und personellen Ressourcen zu messen haben, will er unkalkulierbare Haftungsrisiken vermeiden.

 

Rz. 20

Ein Zwang zur Interessenvertretung eines bestimmten Mandanten kann sich aus § 48 BRAO ergeben, wonach der Rechtsanwalt im gerichtlichen Verfahren zur Übernahme der Prozessvertretung oder der Beistandschaft verpflichtet ist, wenn

er der Partei aufgrund des § 121 ZPO, § 4a Abs. 2 InsO, des § 11a ArbGG oder aufgrund einer anderen gesetzlichen Regelung vorläufig zur Wahrnehmung ihrer Rechte beigeordnet worden ist;
er der Partei nach den §§ 78b, 78c ZPO als Notanwalt beigeordnet worden ist;
er einem Antragsgegner nach § 138 FamFG beigeordnet worden ist.
 

Rz. 21

 

Hinweis

In diesen drei Fällen kann der Rechtsanwalt lediglich beantragen,[7] dass seine einmal erfolgte Beiordnung aufgehoben wird, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Als wichtige Gründe kommen neben den Ausschlussgründen zur Wahrnehmung einer Interessenvertretung nach den §§ 45 bis 47 BRAO insbesondere in Betracht, dass das Vertrauensverhältnis[8] zum beigeordneten Anwalt durch fachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten der Partei zerstört worden ist. Allerdings soll es hierfür nicht genügen, dass der Mandant mit barschen Worten die fachliche Qualifikation des Rechtsanwaltes in Zweifel zieht[9] oder der Mandant auf die Schreiben des Rechtsanwalts nicht reagiert,[10] wohl aber eine unbehebbare Störung des Vertrauensverhältnisses.[11]

 

Rz. 22

Trotz der gerichtlichen Beiordnung kann auch der Mandant selbst das Mandat jederzeit kündigen.[12] Eine Beiordnung kann nicht gegen den Willen des bedürftigen Mandanten erfolgen.[13] Allerdings muss dann der das Mandat übernehmende Bevollmächtigte überprüfen, ob die Mandatsbeendigung darauf beruht, dass dem Mandanten ohne sein Verschulden eine Zusammenarbeit mit dem bisherigen Bevollmächtigten nicht mehr zumutbar ist und der Staatskasse durch den Anwaltswechsel keine höheren Kosten entstehen.[14] Die Bestellung eines weiteren Notanwalts kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Mandant die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat.[15] Anderenfalls kann, um unnötige Mehrkosten der Staatskasse zu vermeiden,[16] die Beiordnung nur mit einer Beschränkung der Vergütung erfolgen oder scheidet ganz mit der Folge aus, dass der Mandant die Kosten seiner Beauftragung selbst zu tragen hat. Einer Bestellung zum Notanwalt steht auch entgegen, wenn der Rechtsanwalt sogleich seine Entpflichtung aus wichtigem Grund verlangen könnte, etwa weil der Mandant ihm "zwingende" Vorgaben zum Schriftsatzentwurf vorgibt.[17]

 

Rz. 23

Ist die Aufhebung der Beiordnung dadurch sachlich gerechtfertigt, dass ein anderes Gericht mit erheblicher Entfernung zum bisherigen Gerichtsort zuständig wird, so ist eine nachfolgende Beiordnung eines anderen Rechtsanwaltes am neuen Gerichtsstand ohne Weiteres möglich.[18]

Die Beiordnung wirkt bis zur Entpflichtung durch das Gericht fort, eine einseitige Mandatsniederlegung seitens des Rechtsanwalts ist nicht möglich.[19]

 

Rz. 24

Ist der Rechtsanwalt nicht kraft Gesetzes dem Mandanten beigeordnet worden mit der Folge, dass eine Übernahme des Mandates nach § 48 BRAO verpflichtend wäre, so ist der Rechtsanwalt in der Übernahme des Mandates grundsätzlich frei.

 

Rz. 25

Möchte der Rechtsanwalt – aus welchen Gründen auch immer – das Mandat nicht übernehmen, so legt § 44 BRAO ihm die Pflicht auf, dass er die Ablehnung eines Auftrages unverzüglich mitzuteilen hat. Dem gilt es immer dann besondere Aufmerksamkeit zu widmen, wenn nicht schon im Rahmen der Erstberatung sicher festgestellt werden kann, ob eine Interessenvertretung möglich ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass ein Anwaltsvertrag auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen kann, sodass – z.B. bei wiederkehrenden gleichartigen Beauftragungen desselben Mandanten – vertragliche Vorkehrungen zu treffen sind. An ein Zustandekommen durch nicht ausdrücklich erklärte Erklärungen sind aber im Interesse der Rechtssicherheit strenge Anforderungen zu stellen.[20]

 

Rz. 26

 

Hinweis

Nach § 44 S. 2 BRAO hat der Rechtsanwalt den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass er schuldhaft die Erklärung über die Ablehnung des Auftrages verzögert, etwa wenn nachfolgend zu beachtende Fristen durch den Mandanten nicht mehr eingehalten werden können[21] oder die Forderung verjährt.[22]

 

Rz. 27

 

Tipp

Allein die verspätete Mitteilung der Auftragsablehnung ist nicht ausreichend, um eine Haftung des Rechtsanwaltes zu begründen. Die schuldhaft verzögerte Mitteilung der Auftragsablehnung muss vielmehr auch kausal für den eingetretenen Schaden geworden sein. Ist eine Frist versäumt worden, so fehlt es an...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?