Rz. 15
Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte war schließlich Anstoß für die bislang jüngste Gesetzesänderung im Jahre 2013. Ein Vater rügte vor dem EuGM die Ungleichbehandlung von Vätern nichtehelich geborener Kinder gegenüber den Müttern und die Ungleichbehandlung von Vätern nichtehelich geborener Kinder gegenüber Vätern ehelich geborener Kinder. Väter hätten keine Möglichkeit, ohne Zustimmung der Mutter das gemeinsame Sorgerecht für das gemeinsame Kind zu bekommen. Der EuGM bestätigte dessen rechtliche Ansicht. Darauf entschied das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2010:
Zitat
"Es verletzt das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen … Das Elternrecht des Vaters wird nicht dadurch verletzt, dass das Kind zunächst rechtlich allein der Mutter zugeordnet wird. Nichteheliche Kinder werden in eine Vielzahl familiärer Konstellationen hineingeboren … Das Elternrecht des Vaters ist jedoch dadurch verletzt, dass ihm der Zugang zur Sorgetragung für sein Kind bei Weigerung der Mutter, hierzu die Zustimmung zu erteilen, generell verwehrt ist. Die elterliche Sorge ist essentieller Bestandteil des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Rechts der Eltern auf Pflege und Erziehung des eigenen Kindes …"
Rz. 16
Durch Gesetzesänderung im Jahr 2013 wurden die gerügten Missstände beseitigt. Mit dem 19.5.2013 traten die Neuregelungen der §§ 1626a, 1671 BGB, § 155a FamFG in Kraft und § 1672 BGB wurde aufgehoben.
Rz. 17
Gesellschaftspolitisch bedeutet das, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht so recht "zu fassen" zu sein scheint, jedenfalls nicht, wenn und soweit sie in Verbindung mit einem gemeinsamen Kind steht. Es gibt, und das mag durchaus richtig sein, eine Vielzahl von Konstellationen und Zusammensetzungen, die für das Leben von Familien bestehen. Ziel ist es, das Kind einer Person rechtlich zuzuordnen. Im Unterschied zu Kindern, deren Eltern sich haben scheiden lassen, besteht für Kinder, die außerhalb einer Ehe geboren werden, keine gesetzliche Vermutung, wer rechtlicher Vater ist. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, erfolgt deshalb zunächst die rechtliche Zuordnung zur Mutter. Trotzdem aber ist Leitbild der aktuellen gesetzlichen Regelungen die Annahme des Gesetzes, dass grundsätzlich beide Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für ein Kind tragen sollen, wenn keine Gründe dagegen sprechen. Denn das Gesetz stellt immer das Kindeswohlprinzip in den Mittelpunkt der Betrachtung und beruht auf der Annahme, dass das Kind das Bedürfnis nach Beziehungen zu beiden Elternteilen hat.
Rz. 18
Bedeutsam für die Praxis sind natürlich weniger die historischen Gegebenheiten, als die Fragen, die sich nach der Geburt eines Kindes rein praktisch stellen. Wer zum Beispiel hat die elterliche Sorge für das Kind? Wer also darf entscheiden, ob das Kind geimpft wird, welche Religionszugehörigkeit das Kind haben soll oder wo das Kind wohnt? Und welchen Familiennamen erhält das Kind? Was ist steuerrechtlich zu bedenken?