A. Einleitung

 

Rz. 1

Das außerhalb einer Ehe geborene Kind hat sowohl rechtlich als auch historisch und gesellschaftspolitisch eine tragende Rolle. Die rechtlichen Entwicklungen machen die gesellschaftlichen und politischen Änderungen seit Ende des zweiten Weltkrieges greifbar, die Urteile und jeweiligen Zeitzeugnisse berichten von dem gesellschaftlichen Umschwung. In einem Artikel des SPIEGEL aus dem Jahr 1970 wurde Folgendes über die Umsetzung des Nichtehelichengesetzes geschrieben:

Zitat

"Doch während der CDU-Abgeordnete Dr. Anton Stark die um das Reformgesetz bereicherte Bundesrepublik als eines der fortschrittlichsten Länder rühmt, wähnen sich deutsche Väter unehelicher Kinder im größten Schieber- und Hurenstaat, der jemals auf deutschem Boden bestanden hat …"

Zumindest trifft zu, was die FAZ konstatierte: Die Familie habe künftig einen guten Teil dessen zu tragen, was dem unehelichen Kind an Verbesserungen zugebilligt wird …

Nur: Dieser Lastenausgleich scheint angezeigt in einer Gesellschaft, in der die große Mehrheit der Männer (90 %) und der Frauen (70 %) vor der Ehe intimen Umgang pflegt – und viele das Zeugnis solchen Tuns dennoch als Heckenbankert abqualifizieren.“[1]

 

Rz. 2

Noch 1970 wurden nur 7,2 % aller in einem Jahr geborenen Kinder nichtehelich, also außerhalb einer Ehe, geboren. Im Jahr 2015, der aktuellste statistisch erfasste Zeitraum zur Zeit, waren es fast 35 % – also mehr als ein Drittel aller in einem Jahr geborenen Kinder.[2] Dementsprechend werden die Regelungen, das nichteheliche Kind betreffend, praktisch immer bedeutsamer. Gerade in den letzten Jahren erging eine Vielzahl bedeutender und wegweisender gerichtlicher Entscheidungen zu diesem Themenkomplex.

Welche rechtliche Stellung hat das nichteheliche Kind?
Wird es mit ehelich geborenen Kindern gleichbehandelt?
Wie ist die rechtliche Stellung der Eltern?
Wer sind überhaupt die rechtlichen Eltern?

Im Folgenden wird versucht, diese Fragen zu beantworten oder zumindest Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

[1] DER SPIEGEL 27/1970, "Uneheliche Kinder sind nun wer" – SPIEGEL ONLINE, www.spiegel.de.
[2] Statista – statista.com.

B. Begriff des "nichtehelichen Kindes"

 

Rz. 3

Was ist das "nichteheliche Kind" und inwiefern steht dieses im Zusammenhang mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft?

Auf den ersten Blick scheinen die Begriffe rechtlich miteinander verbunden. Doch bei genauerer Betrachtung ist dem nicht so. Denn ein Kind kann durchaus außerhalb einer Ehe geboren worden sein und trotzdem in einer Familie leben, deren Eltern miteinander verheiratet sind. Oder andersherum können neben gemeinschaftlichen Kindern der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch eheliche Kinder eines anderen Partners aus einer geschiedenen oder durch Tod aufgelösten Ehe oder Kinder, die ein Partner allein in einem nichtehelichen Status bekommen hat, leben.[3] Das außerhalb einer Ehe geborene Kind hat also gegenüber der nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine eigenständige rechtliche Bedeutung. Und dennoch besteht ein deutlicher Bezug, erkennt man doch an der rechtlichen Stellung des "nichtehelichen Kindes" auch die damit einhergehende Bedeutung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als inzwischen rechtlich und gesellschaftspolitisch anerkannte Lebensform, sowie die sich wandelnde Form und Bedeutung von Familien.

 

Rz. 4

Den Beginn der bis heute andauernden rechtlichen Änderungen machte die Einführung des in Art. 6 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankerten Auftrages des Gesetzgebers, in dem es heißt:

Zitat

"Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern."

 

Rz. 5

Dieser gesetzliche Auftrag stammt aus dem Jahr 1949. Der zweite Weltkrieg hatte die Gesellschaft jedenfalls in Deutschland nachhaltig verändert. Die bis dato geltenden Gesetze taten dieser Änderung nicht Genüge. Seither werden nach und nach durch Gesetzesreformen die rechtlichen Bedingungen der ehelichen und nichtehelichen Kinder einander angepasst. Die bisherige Anpassung vollzog sich oberflächlich betrachtet in drei Schritten: In einem ersten Schritt sollte die Mutter eines außerhalb einer Ehe geborenen Kindes mit derjenigen eines innerhalb einer Ehe geborenen Kindes gleichbehandelt werden. In einem zweiten Schritt war Schwerpunkt die Anpassung der rechtlichen Stellung des "unehelich geborenen" Kindes mit derjenigen des "ehelich" geborenen Kindes. Und in einem dritten Schritt schließlich stand der Vater des außerhalb einer Ehe geborenen Kindes im Focus, der ebenso wie die Mutter an der elterlichen Sorge mit eben jener Selbstverständlichkeit partizipieren sollte wie Väter ehelich geborener Kinder. Der Beschluss des BGH vom 8.2.2017 hätte der vierte Schritt sein können. Ihm lag die Frage zu Grunde, ob ein Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft das Kind des anderen Partners adoptieren kann, ohne dass das Verwandtschaftsverhältnis zu diesem erlischt. Denn diese Folge ist für die Ehe gesetzlich vorgesehe...

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