Rz. 186

Grundsätzlich ist der nicht betreuende Elternteil berechtigt, den Umgang mit dem Kind ohne Anwesenheit eines Dritten auszuüben.[716] Die Anwesenheit einer dritten Person bedarf daher einer ausdrücklichen familiengerichtlichen Anordnung. Ein begleiteter Umgang kommt daher in folgenden Fallkonstellationen in Betracht:

erstmalige[717] oder Neuanbahnung des Umgangsrechts nach längerer Pause,[718] um das Verhältnis zwischen dem Umgangsberechtigen und Kind (wieder) vorsichtig und kontrolliert aufzubauen,[719]
bei Gefahr einer Kindesentführung (siehe dazu Rdn 164 f.),[720]
Alkoholismus[721] oder sonstige Drogenabhängigkeit[722] des Umgangsberechtigten,
bei Kindesängsten – bis hin zu solchen mit Krankheitswert[723] –, insbesondere wenn sie vom Umgangsberechtigten mit verursacht wurden,[724]
bei massivem Unterwandern der Erziehungsbemühungen des betreuenden Elternteils,[725] auch durch massiv eigenmächtiges Verhalten ohne sorgerechtliche Befugnis hierzu,[726]
bei einem naheliegenden Verdacht des sexuellen Missbrauchs,[727]
bei rechtskräftig festgestelltem Besitz von Kinderpornographie durch den Umgangsberechtigten,[728]
bei Gewalttaten, die das Kind unmittelbar miterlebt hat oder die sich gegen das Kind selbst gerichtet haben,[729]
bei Strafhaft des Umgangsberechtigten.[730]
 

Rz. 187

Anstelle des begleiteten Umgangs kommt auch eine nur betreute Übergabe des Kindes in Betracht. Hierdurch kann unkontrollierten Streitigkeiten zwischen den Eltern im Zusammenhang mit der Abholung und Rückverbringung des Kindes entgegengewirkt werden. In diesen Fällen übergibt der betreuende Elternteil das Kind an eine dritte Person, wo es von dem anderen Elternteil abgeholt und auch wieder hin zurückgebracht wird.

 

Rz. 188

Da auch der begleitete Umgang ein gravierender Eingriff in das Elternrecht des Umgangsberechtigten, aber auch in das Recht des Kindes ist, mit diesem ungestört Umgang zu pflegen, darf er keinesfalls – wie leider in der Praxis häufiger zu beobachten – generell als Mittel der Streitschlichtung herangezogen werden,[731] sondern muss auf schwere Fälle beschränkt bleiben. Wenn das Kind allerdings bewusst oder unbewusst anlässlich des Umgangs massiv in den Elternkonflikt einbezogen wird, etwa durch Schuldzuweisungen oder persönliche Herabsetzungen, kann ein begleiteter Umgang angezeigt sein.

 

Rz. 189

Ein begleiteter Umgang kommt dagegen nicht in Betracht, wenn die Umgangskontakte an der vollständigen Ablehnung des Kindes scheitern. Die Frage, ob ein Dritter bei den Zusammenkünften anwesend ist, ist dann ohne Bedeutung.[732] Auch bei erheblicher Gewalttätigkeit des Umgangsberechtigten gegenüber dem Kind oder – von diesem miterlebt – gegen den anderen Elternteil,[733] entscheiden die Einzelfallumstände, ob begleiteter Umgang stattfinden kann oder es eines Umgangsausschlusses bedarf. Wenn sich der Umgangsberechtigte auch im Rahmen professionell begleiteter Umgänge nicht davon abhalten lässt, das Kind massiv und in kindeswohlschädlicher Weise in seiner Haltung gegen den anderen Elternteil zu beeinflussen, so scheidet ein begleiteter Umgang meist aus.[734]

 

Rz. 190

Die Anordnung begleiteten Umgangs setzt voraus, dass der Umgangsberechtigte ausdrücklich seine Bereitschaft erklärt, den Umgang in dieser Form wahrzunehmen; ist dies nicht der Fall und kommt ein unbegleiteter Umgang nicht in Betracht, muss der Umgang ausgeschlossen werden.[735] Weder kann in solchen Fällen der Umgangsantrag einfach abgelehnt werden;[736] denn dann bliebe die Situation ungeregelt mit der Folge, dass insbesondere dieser Elternteil folgenlos mit dem Kind persönlichen Kontakt aufnehmen könnte, weil gegen ihn – anders als bei einem Umgangsausschluss – keine Folgenankündigung ergehen könnte (siehe dazu Rdn 155 und eingehend § 6 Rdn 37).

Zugleich kann der begleitete Umgang, solange er gegenüber dem Umgangsausschluss ein milderes, zur Kindeswohlgefährdung ausreichend geeignetes Mittel ist, nicht mit Verweis darauf abgebrochen werden, dass der Vater sein Verhältnis zur Mutter nicht verbessert und auch ansonsten nicht an sich arbeitet.[737] Begleiteter Umgang kann vielmehr auch dauerhaft angeordnet werden.[738] Eine solche Sicht setzte nicht nur das Elternrecht des Vaters unverhältnismäßig hintan, sondern beträfe auch das Kind ohne ausreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigung in ihrem eigenen grundrechtlich verbrieften Anspruch auf Umgang mit ihrem Vater.[739]

Da eine Umgangsregelung konkrete Anweisungen zur Überwachung beim begleiteten Umgang erfordert, muss sich das Gericht vor seiner Entscheidung davon überzeugen, dass ein mitwirkungsbereiter Dritter vorhanden ist.[740] Gegebenenfalls sind gerichtliche Weisungen für die konkrete Durchführung zu geben (zum Konkretheitsgebot vgl. auch Rdn. 60).

[716] OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1792;OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 1582; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 414.
[718] OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1124; OLG Nürnberg FamRZ 2014, 858.
[719] BVerfG FamRZ 2006, 1005; OLG Oldenburg F...

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