Rz. 114

Das Umgangsrecht ist auf Bezugspersonen begrenzt, die in der Regel dem Kind besonders nahe stehen.[420] Hierdurch soll eine übermäßige Ausweitung von Umgangsstreitigkeiten, aber auch eine Überforderung des Kindes mit den Begehrlichkeiten zahlreicher Umgangsberechtigter und ein damit einhergehender "Umgangstourismus" verhindert werden. Zudem wäre die übermäßige Ausweitung des Kreises umgangsberechtigter Personen – die gegebenenfalls auch gegen den Willen des Obhutselternteils Umgangsansprüche hätten – ein unverhältnismäßiger Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Elternrecht,[421] das seinerseits auch durch das Umgangsbestimmungsrecht in § 1632 Abs. 2 BGB (siehe dazu § 4 Rdn 16 ff.) einfachrechtlich ausgestaltet ist. Nach Maßgabe dessen hat die – einzelfallbezogen festzulegende – Periodizität und die Dauer des Umgangs in aller Regel deutlich hinter derjenigen elterlicher Umgangsrechte zurückzubleiben.[422]

 

Rz. 115

Für den von § 1685 BGB erfassten Personenkreis kommt ein Umgangsrecht nur in Betracht, wenn er dem Kindeswohl dient.[423] Durch die konkurrierenden Umgangsrechte kann das Kind Belastungen ausgesetzt werden,[424] die dem Normzweck des § 1685 BGB zuwiderlaufen[425] – insbesondere durch den soeben erwähnten "Umgangstourismus". Es gilt daher eine abgestufte Besuchsrechtsfolge, wegen der die Interessen dritter Personen zurücktreten müssen, wenn bereits ein umfangreiches Umgangsrecht zugunsten eines Elternteils nach § 1684 BGB besteht. Dieses geht von Verfassungs wegen stets dem Umgangsrecht nach § 1685 BGB vor.[426] Gegebenenfalls muss das Umgangsrecht insgesamt vom Familiengericht neu geregelt werden.[427] Die Wünsche und der Wille des Kindes sind im Rahmen des § 1685 BGB ebenso wie bei § 1684 BGB zu beachten, wobei auf den Willen eines älteren Kindes allerdings sogar noch größere Rücksicht genommen werden muss.[428]

[420] BT-Drucks 13/4899, S. 107; OLG Hamm FamRZ 2000, 1600.
[421] Rauscher, FamRZ 1998, 329.
[422] Kloster-Harz, NZFam 2016, 529, 531 m.w.N.
[423] OLG Celle FF 2001, 28; OLG Köln FuR 1998, 372.
[424] BT-Drucks 13/4899, S. 154.
[425] OLG Hamm FamRZ 2011, 1154.
[426] BVerfG FamRZ 2007, 335; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.1.2016 – 9 UF 56/15 (n.v.).
[428] Vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2010, 909.

1. Großeltern und Geschwister

 

Rz. 116

§ 1685 Abs. 1 BGB erfasst – nur – Großeltern[429] und Geschwister. Bei diesen wurde auf die in § 1685 Abs. 2 BGB für ein Umgangsrecht vorausgesetzte sozial-familiäre Beziehung verzichtet, weil davon ausgegangen wurde, dass Großeltern und Geschwister dem Kind regelmäßig nahestehen, jedenfalls aber der Aufbau einer zwischenmenschlichen Beziehung zwischen diesen und dem Kind grundsätzlich im Kindesinteresse liegt. Sie haben daher keinen gesonderten Nachweis für ihre Stellung als Bezugsperson zu erbringen.[430] Ihr Umgangsanspruch gründet allein auf dem engen Verwandtschaftsgrad.

 

Rz. 117

Gerade im Verhältnis zu Geschwisterkindern muss darauf geachtet werden, dass es durch die Umgangsregelung zugunsten eines Elternteiles nicht zu einer Entfremdung der Geschwister kommt, etwa wenn ein Kind im Haushalt der Mutter und das andere Kind im Haushalt des Vaters lebt. In diesen Fällen muss sichergestellt werden, dass sich die Kinder auch regelmäßig bei einem Elternteil treffen. Der EuGHMR hat in einer diesen Voraussetzungen nicht gerecht werdenden Umgangsregelung zutreffend eine Verletzung des Rechts eines Elternteiles und des bei ihm lebenden Kindes auf Schutz des Familienlebens (Art. 8 EMRK) gesehen.[431] Dasselbe Problem stellt sich bei der getrennten Unterbringung von Geschwistern in verschiedenen Pflegefamilien.[432]

 

Rz. 118

Bei der Bestimmung von Großeltern und Geschwistern gilt der Verwandtenbegriff des § 1589 BGB. Dies bedeutet, dass nur die gesetzlichen Großeltern[433] und bei den Geschwistern die vollbürtigen ebenso wie die halbbürtigen, einschließlich der durch Adoption hinzugewonnenen Geschwisterteile erfasst sind. Lediglich angeheiratete "Großeltern" werden daher nicht von § 1685 Abs. 1 BGB erfasst, sondern allenfalls von § 1685 Abs. 2 BGB.[434] Wird von zwei leiblichen Geschwistern eines adoptiert, so erlischt nach § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB das wechselseitige Umgangsrecht aus § 1685 Abs. 1 BGB. Aus § 1685 Abs. 2 BGB kann – außer in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen – kein wechselseitiges Umgangsrecht hergeleitet werden, weil es meist am tatsächlichen Tragen von Verantwortung fehlen wird.[435] Ein Umgangsrecht kann dann nur § 1666 BGB entspringen.[436]

 

Rz. 119

Die von § 1685 Abs. 1 BGB nicht erfassten Cousins und Cousinen, der neue Ehegatte eines Großelternteils oder auch Onkel und Tanten können ihren Umgangsanspruch ggf. auf § 1685 Abs. 2 BGB gründen.

 

Rz. 120

Hinsichtlich der Feststellungslast für die Kindeswohldienlichkeit ist zu differenzieren; wobei diese stets nach § 26 FamFG von Amts wegen zu ermitteln ist.[437] Bestehen bereits Bindungen des Kindes zu der Bezugsperson, ist im Falle eines non liquet von der Kindeswohldienlichkeit des Umgangs auszugehen, weil § 1626 ...

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