Rz. 1

Der Wert zur Berechnung der Anwaltsgebühren im Verkehrszivilrecht richtet sich im Regelfall nach dem Wert zur Berechnung der Gerichtsgebühren.

 

Rz. 2

Für den Gegenstandswert der außergerichtlichen Tätigkeit ergibt sich dies aus § 23 Abs. 1 S. 3 RVG. Danach gelten nämlich die Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes entsprechend auch für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. In Verkehrszivilsachen ist der Anwalt außergerichtlich zumeist mit der Beratung über bzw. Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen beauftragt. Diese Ansprüche können – ebenso wie die außergerichtlich begehrte Verpflichtungserklärung hinsichtlich der Ersatzpflicht künftiger Schäden – Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein.

 

Rz. 3

Für den Gegenstandswert der gerichtlichen Tätigkeit ergibt sich die Bezugnahme auf den Gerichtsgebührenwert aus § 23 Abs. 1 S. 1 RVG. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert durch das Gericht festgesetzt, so ist diese Festsetzung auch für die Anwaltsgebühren maßgeblich (§ 32 Abs. 1 RVG). Berechnen sich die Anwaltsgebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem Gerichtsgebührenwert, so kann der Anwalt eine eigenständige Wertfestsetzung durch das Gericht nach § 33 Abs. 1 RVG beantragen. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn – anders als bei der Festsetzung der Gerichtsgebühren – ein gestufter Streitwert maßgeblich ist. Das kann der Fall sein, wenn nach Einreichung einer Klage, noch vor dem Termin, die Klage teilweise zurückgenommen und lediglich über den verringerten Wert mündlich verhandelt wird. Während die Gerichtsgebühren (und auch die Verfahrensgebühren des Anwaltes) sich hier nach der ursprünglichen Klage richten, fällt die Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG nur aus dem verringerten Wert an.

 

Rz. 4

Die Wertbestimmung richtet sich also jeweils nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. §§ 3, 6 ZPO, da die Ansprüche im Rahmen einer Unfallregulierung vermögensrechtliche Ansprüche sind. Dies gilt auch für Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld. Denn ausschlaggebend für die Abgrenzung zwischen einer vermögensrechtlichen und einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit ist die Rechtsnatur des Anspruches, den der Kläger geltend macht.[1] Dabei sind nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten solche, die nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet sind und nicht aus vermögensrechtlichen Verhältnissen entspringen.[2] Vermögensrechtliche Streitigkeiten sind dagegen solche, bei denen die Ansprüche auf Geld oder geldwerte Leistung gerichtet sind, gleichgültig, ob sie aus einem vermögensrechtlichen oder nichtvermögensrechtlichen Grundverhältnis entspringen.

 

Rz. 5

Maßgeblich ist die Summe des bezifferten Anspruchs bzw. das Interesse des Auftraggebers bei sonstigen Ansprüchen, wobei mehrere Gegenstände (Schadenspositionen) nach § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen sind.

 

Rz. 6

Richtet sich der Anspruch des Klägers, der bei dem Unfall eine Gesundheitsverletzung erlitten hat, auf Schadensersatz in Form einer Geldrente oder beanspruchen die Erben des tödlich verunglückten Unfallopfers eine solche Rente, ist § 42 Abs. 1 GKG einschlägig. Maßgeblich ist der fünffache Betrag des einjährigen Bezuges, wenn nicht der Gesamtbetrag geringer ist.

 

Rz. 7

Die nachstehend dargestellten Bestimmungen des Gegenstandswertes gelten zunächst nur im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber. Verlangt der Mandant die an den Anwalt gezahlte Vergütung im Wege des Schadensersatzes vom Gegner oder dessen Versicherer zurück, kann er nach der Rechtsprechung des BGH Ersatz nur insoweit verlangen, als seine Forderung objektiv berechtigt war. Denn der Schädiger ist nicht verpflichtet, Kosten zu ersetzen, die aufgrund einer unbegründeten Inanspruchnahme verursacht wurden.[3] Der BGH löst die Fälle einer nur teilweise berechtigten Forderung also nicht über eine quotenmäßige Aufteilung des Gesamtschadens, sondern über eine Reduzierung des Streitwerts.

 

Beispiel

Eigentümer E beauftragt Anwalt A, seinen Sachschaden von 10.000 EUR gegenüber dem gegnerischen Haftpflichtversicherer V geltend zu machen. Aufgrund eines Mitverschuldenseinwands erstattet V nur einen Betrag von 7.000 EUR.

Die Gebühren, die A von E verlangen kann, berechnen sich aus dem Auftragswert von 10.000 EUR. Dagegen berechnet sich der Erstattungsanspruch des E gegen V nur aus einem Wert von 7.000 EUR (berechtigte Forderung).

 

Rz. 8

Die Differenz zwischen den entstandenen und den vom Dritten zu erstattenden Gebühren trägt letztlich der Mandant bzw. dessen Rechtsschutzversicherer (zu den Einzelheiten vgl. § 3 Rdn 124 ff.).[4]

[1] BGH JZ 1982, 512; vgl. die ausführliche Darstellung von Buller/Drzisga, NJWspezial 2015, 521.
[2] RGZ 144, 159; LAG München JurBüro 2004, 85.
[3] BGH zfs 2008, 164; BGH NJW 2005, 1112; OLG Saarbrücken OLGR 2004, 530; LG Darmstadt zfs 2008, 673.
[4] Gerold/Schmidt (Mayer), RVG, VV 2300 Rn 46; Enders, JurBüro 2005, 505, 506...

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