Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 92
Im Bereich der gerichtlichen Wertfestsetzung gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, die kostenrechtlich relevanten Entscheidungen überprüfen zu lassen.
1. Anfechtung der vorläufigen Wertfestsetzung
Rz. 93
Soweit Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme ist, insbesondere also bei unbezifferten Schmerzensgeld- oder Feststellungsklagen, erfolgt eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 S. 1 GKG. Damit kann der Gerichtskostenvorschuss berechnet werden, ohne dessen Einzahlung die Klage nicht zugestellt werden soll (§ 12 Abs. 1 GKG).
Rz. 94
Einwendungen gegen die Höhe des vorläufig festgesetzten Streitwertes können nur im Verfahren der Beschwerde gegen die Kostenanforderung geltend gemacht werden (vgl. § 63 Abs. 1 S. 2, § 67 Abs. 1 GKG). Daraus ergibt sich, dass nur der Kostenschuldner (§§ 22 ff. GKG) geltend machen kann, nicht bzw. nicht in dieser Höhe zum Vorschuss verpflichtet zu sein. Dies kann er auch nur dann, wenn die Kosten tatsächlich von ihm angefordert werden. Gegen die vorläufige Streitwertfestsetzung an sich ist dagegen kein isolierter Rechtsbehelf gegeben.
Rz. 95
Hinweis
Nach einer Entscheidung des OLG Köln steht aufgrund der Regelung des (jetzt) § 32 Abs. 2 RVG ausnahmsweise dem Anwalt ein Beschwerderecht gegen die vorläufige Streitwertfestsetzung zu, wenn es aufgrund der Tatsache, dass beiden Parteien Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, nicht zu einer Gerichtskostenanforderung kommt.
2. Beschwerde gegen die Wertfestsetzung
Rz. 96
Die abschließende Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren erfolgt gemäß § 63 Abs. 2 GKG, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Diese Festsetzung kann in einem separaten Beschluss oder im Zusammenhang mit der Hauptsacheentscheidung erfolgen. In der Praxis findet sie sich meist am Ende der Entscheidungsgründe des Urteils. Sie ist mit der Beschwerde nach § 68 Abs. 1 GKG anfechtbar.
Rz. 97
Die Staatskasse kann gegen einen zu niedrigen Gegenstandswert Beschwerde im Hinblick auf die damit geringeren Gerichtsgebühren einlegen. Wurde einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt, steht der Staatskasse auch ein Beschwerderecht gegen eine zu hohe Wertfestsetzung zu, da diese Grundlage für den öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch des Anwalts ist. Die Partei kann nur gegen einen zu hohen, der Anwalt in eigenem Namen (§ 32 Abs. 2 RVG) nur gegen einen zu niedrigen Wert Beschwerde einlegen.
Rz. 98
Hinweis
Soweit eine Beschwerde, mit der eine Werterhöhung beantragt wird, nicht ausdrücklich im Namen des Anwalts eingelegt wurde, wird dies in der Praxis meist im Wege der Auslegung bzw. durch ergänzende Nachfrage beim Prozessbevollmächtigten geheilt – ungeachtet dessen sollte auf eine eindeutige Bezeichnung des Beschwerdeführers geachtet werden, um eine Verwerfung der Beschwerde als unzulässig zu vermeiden.
Rz. 99
Die herrschende Meinung hält eine auf Erhöhung des Streitwertes gerichtete Beschwerde der obsiegenden Partei ausnahmsweise dann für zulässig, wenn die Partei mit ihrem Anwalt eine Vergütungsvereinbarung geschlossen hat, welche von einem höheren Streitwert ausgeht.
Rz. 100
Weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wurde (§ 68 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GKG).
Rz. 101
Hinweis
Gerade weil es in der Praxis sehr selten zur Zulassung der sofortigen Beschwerde kommt, sollte der Anwalt immer einen konkreten Vorschlag zur Wertfestsetzung machen und diesen auch begründen. Gegebenenfalls sollten diese Ausführungen mit dem Antrag verbunden werden, bei Abweichungen vom Wertvorschlag die sofortige Beschwerde zuzulassen, und es sollte die grundsätzliche Bedeutung der Sache dargelegt werden.
Rz. 102
Der Wert des Beschwerdegegenstandes berechnet sich für die Partei aus der Differenz zwischen der Kostenbelastung durch den festgesetzten und der Kostenbelastung durch den beantragten Gegenstandswert.
Rz. 103
Beispiel
Der vorsteuerabzugsberechtigte Transportbetrieb G wird nach mündlicher Verhandlung zur Zahlung einer Rente an den bei einem Unfall verletzten F verurteilt und ihm werden die Kosten des Rechtsstreits zu 40 % auferlegt. Gegen die Streitwertfestsetzung auf 8.000 EUR will G Beschwerde einlegen und eine Herabsetzung auf 7.000 EUR erreichen.
Legt man den festgesetzten Streitwert von 8.000 EUR zugrunde, entsteht für G folgende Kostenbelastung:
Gerichtskosten, Nr. 1210 Anl. 1 GKG |
672,00 EUR |
Kosten für 2 Anwälte |
2.792,25 EUR |
(2 × 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100, 2 × 1,2-Terminsgebühr, VV 3104, 2 × Auslagenpauschale, VV 7002, 1 x Umsatzsteuer (!), VV 7008) |
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Summe |
3.464,25 EUR |
davon 40 % |
1.385,70 EUR |
Legt man den beantragten Streitwert von 7.000 EUR zugrunde, entsteht für G folgende Kost...