Rz. 29
Aus Schadensminderungsgründen muss der Geschädigte die Haushaltsführung ggf. umorganisieren. Eine Umorganisation entfällt jedoch im 1-Personenhaushalt vollständig. Man kann vom Geschädigten nicht verlangen, dass er statt Mineralwasser aus Flaschen (die er nun nicht mehr selbst tragen kann) jetzt Leitungswasser trinkt. Hier wäre die Schadensminderungspflicht überspannt. Umorganisationspotential im 1-Personenhaushalt besteht deshalb in der Regel nicht.
Sich umzuorganisieren bedeutet im Mehrpersonenhaushalt, dass quasi im Wege eines Tausches bislang vom Geschädigten ausgeübte Haushaltsführung auf andere Familienmitglieder oder aber in der Zweiergemeinschaft auf den anderen Partner verlagert wird, wobei jedoch der Geschädigte im Gegenzug hauswirtschaftliche Anteile des Partners übernimmt, die er mit seinen Verletzungen leisten kann. Keinesfalls bedeutet Umorganisation, dass der andere Partner bzw. die übrigen Familienmitglieder nun dasjenige an hauswirtschaftlicher Verrichtung zusätzlich übernehmen, was der Geschädigte nicht mehr leisten kann, ohne dass ihm von den Aufgaben in der Haushaltsführung der Übrigen etwas übertragen wird. Beim Stichwort der "Umorganisation" ist also genau zu prüfen, was im Sinne eines Tausches umorganisiert werden kann und ob dies auch möglich und zumutbar ist.
Rz. 30
Geringe Beeinträchtigungen in der Haushaltsführung sind kompensationsfähig. Das bedeutet, haushaltsspezifische Einschränkungen unterhalb eines gewissen Prozentsatzes wirken sich im Haushalt unter Umständen kaum noch oder gar nicht mehr aus. Das kann im Falle eines Dauerschadens, aber auch bei zeitlich kurz befristeten Unfallfolgen relevant werden.
Die Rechtsprechung zu diesen Prozentsätzen ist uneinheitlich. Während das OLG Düsseldorf und das OLG München per se eine MdE von unter 10 % für kompensierbar halten, legen andere Gerichte die Messlatte bei einer MdE von bis zu 20 % an. Bemerkenswert ist die Entscheidung des OLG Rostock, wonach nur Beeinträchtigungen unterhalb von 10 % MdE im Haushalt kompensationsfähig sind. Alles oberhalb von 10 % MdE rechtfertigt deshalb einen Schadensersatzanspruch.
Meines Erachtens weist eine MdE von 20 % auf recht handfeste dauerhafte medizinische Beeinträchtigungen hin. Ob und inwieweit diese bei der Haushaltsführung kompensationsfähig sind, kann nur durch Einzelfallprüfung festgestellt werden. Bei Beeinträchtigungen von weniger als 10 % MdE spricht manches dafür, dass ggf. eher eine Kompensationsmöglichkeit in der Haushaltsführung denkbar ist, als bei einer MdE oberhalb von 10 %. Allerdings bedarf es meines Erachtens auch bei einer MdE von weniger als 10 % der individuellen Prüfung. Das ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass die MdE gerade nicht identisch ist mit der MdH, sondern die MdH immer im Einzelfall zu bestimmen ist. So kann sich eine relativ geringe MdE von 10 % in ihren haushaltsspezifischen Beeinträchtigungen deutlich höher darstellen. Deshalb sollte eine pauschale Kompensationsgrenze, die an einen Prozentsatz der MdE angebunden ist, nicht statuiert werden. Es spricht meines Erachtens nichts dagegen, einen Schadensersatzanspruch selbst bei einer MdH von 10 % zu regulieren. Ein kleiner Haushaltsführungsschaden ist eben auch ein Haushaltsführungsschaden, sofern er nicht im Mehrpersonenhaushalt durch Tausch kompensiert werden kann. § 843 Abs. 1 BGB lässt daran auch keinen Zweifel aufkommen. Maßgeblich ist also die Frage, ob ein Tausch in der Haushaltsgemeinschaft möglich ist, wenn nicht, ist auch ein kleiner Haushaltsführungsschaden zu regulieren. Ein behaupteter mehrjähriger überobligatorischer Einsatz im Haushalt legt die Vermutung nahe, dass kein messbarer Haushaltsführungsschaden existiert. Niemand schädigt sich über Jahre durch Überanstrengung ohne die Bereitschaft, Abhilfe zu suchen.
Physische und Psychische Beeinträchtigungen, die lediglich zeitlich befristet sind, erfordern ggf. den Aufschub einzelner Haushaltsführungstätigkeiten. Wer z.B. den Arm gebrochen hat, muss während des Genesungsverlaufes nicht zwingend die Fenster putzen und die Gardinen waschen. Diese Tätigkeiten sind bis zur Ausheilung der Verletzung in einigen Wochen durchaus aufschiebbar. Das allerdings sagt nichts über den Haushaltsführungsschaden im Übrigen aus. Beeinträchtigungen in den übrigen Bereichen der Haushaltsführung lösen deshalb möglicherweise trotzdem einen Schadensersatzanspruch aus.
Rz. 31
Der überobligatorische Einsatz in der Haushaltsführung könnte die Vermutung nahelegen, dass ein Haushaltsführungsschaden in diesem Bereich doch nicht besteht. Auf der anderen Seite verrichtet jemand Haushaltsführungstätigkeit, zu der er aufgrund des bestehenden Verletzungsbildes nicht verpflichtet ist. Dieser überobligatorische Einsatz entlastet den Schädiger nicht. Es ist in diesen Fällen eine Gratwanderung, ob der Geschädigte nicht doch etwas leistet, wozu er trotz seiner Verletzungen im Stande ist (weshalb kein Schadensersatzanspruch besteht) oder ob er Haushaltsführung verrichtet z.B...