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Auffällig ist, dass immer wieder Ärzte damit beauftragt werden, eine Aussage zum Haushaltsführungsschaden anlässlich eines Personenschadens in ihrer Funktion als Gutachter/Sachverständiger zu machen. Die Palette der Fragestellungen bei Beauftragung eines Arztes reichen von der Frage, ob überhaupt ein Haushaltsführungsschaden vorliegt, über die Frage, welche MdH ggf. vorliegend ist bis hin zur Bitte um sachverständige Beurteilung, in welchem Umfang und in welcher Höhe ein Haushaltsführungsschaden und in welcher Höhe in einem definierten Zeitraum gegeben sei. Diese und ähnliche Fragestellungen finden sich in der Praxis immer wieder. Das betrifft nicht nur die außergerichtliche Regulierungspraxis, sondern auch tatsächlich und wahrhaftig Beweisbeschlüsse. Damit drängt sich die Frage auf, ob der Arzt überhaupt für die Beantwortung dieser Fragen der "richtige" Sachverständige bzw. Gutachter ist.

Zunächst existiert keine Legaldefinition für den Begriff des Sachverständigen und ebenso wenig für den Begriff des Gutachters. Der Gesetzgeber hat weder bestimmt, wer sich als Sachverständiger bezeichnen kann, noch die Rechtsverhältnisse dieses Personenkreises geregelt.[25] Der Sachverständige ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Spezialist auf einem eng definierten Sachgebiet, das regelmäßig den Teilbereich seines Berufes bildet.[26] Schon deshalb sind weder der Rechtsanwalt noch der Arzt automatisch auch Sachverständige, obwohl jeder dieser Berufe Spezialwissen voraussetzt. Der Sachverständige ist demgegenüber erheblich stärker spezialisiert. Der Angehörige dieses Berufes wird erst dann zum Sachverständigen, wenn er sich auf einem abgrenzbaren Gebiet seines Berufes besondere Detailkenntnisse verschafft hat.[27]

Nun unterscheidet sich der (selbsternannte) Gutachter/Sachverständige erheblich vom öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Die Anforderungen an öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige werden in der Rechtsprechung und in den Sachverständigenordnungen von Körperschaften, welche Sachverständige öffentlich bestellen, sehr hoch angesetzt.[28]

Da Ärzte nicht zu dem Kreis der Personen zählen, die nach § 36 GewO öffentlich als Sachverständige bestellt werden können, gibt es grundsätzlich keine öffentlich bestellten und vereidigten medizinischen Sachverständigen.[29] Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass Ärzte nicht als Sachverständige auch bei Gericht auftreten können. Im Gegenteil: Gemäß § 407 ZPO sind sie sogar verpflichtet zur Erstattung von Gerichtsgutachten.

Entscheidend ist jedoch für die Sachverständigenauswahl gemäß § 404 Abs. 3 ZPO, dass nicht öffentlich bestellte Personen nur dann gewählt werden sollen, wenn besondere Umstände es erfordern. Soweit für gewisse Arten von Gutachten jedoch öffentlich bestellte Sachverständige vorhanden sind, sind diese vorzuziehen. Das bedeutet nichts anderes, als, dass Ärzte nur dann als Sachverständige/Gutachter im Rahmen des Haushaltsführungsschadens zu bestellen sind, wenn es nicht öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für dieses Bestellungsgebiet gibt.

Bei der Sachverständigenauswahl sind die Gerichte also verpflichtet, zu eruieren, ob für das Beauftragungsgebiet öffentlich bestellte Sachverständige vorhanden sind. Als Hilfsmittel mag an dieser Stelle das öffentlich zugängliche bundesweite Sachverständigenverzeichnis der Industrie- und Handelskammern dienen.[30]

Da es sich bei den Fragen zur Ermittlung des Haushaltsführungsschadens um ein bestellungsfähiges Sachgebiet durch die Industrie- und Handelskammern in Deutschland handelt, sind geeignete Sachverständige im Sinne des § 404 Abs. 3 ZPO ausschließlich diejenigen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, deren Bestellungsgebiet die Ermittlung des Haushaltsführungsschadens umfasst.[31]

Spiegelbildlich ist der ausgewählte Sachverständige gemäß § 407a Abs. 1 ZPO verpflichtet, unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag in sein Fachgebiet fällt. Mit § 404 Abs. 3 ZPO auf der einen Seite und § 407a Abs. 1 ZPO auf der anderen Seite soll also sowohl aus dem Blickwinkel des Gerichtes, als auch aus dem Blickwinkel des Sachverständigen sichergestellt sein, dass nur qualifizierte Sachverständige, die ihre besondere Fachkunde unter Beweis gestellt haben, mit der Erstellung eines Gerichtsgutachtens beauftragt werden.

Unverständlich bleibt, dass es offensichtlich (bei ex post Betrachtung des einen oder anderen medizinischen Gutachtens zum Haushaltsführungsschaden) selbst bei gerichtlicher Bestellung eines Arztes zum Sachverständigen selbigem nicht aufgefallen ist, dass der Auftrag nicht gemäß § 407a Abs. 1 ZPO in sein (medizinisches) Fachgebiet fällt.

In der logischen Konsequenz ist das vom falschen Sachverständigen erstellte Gutachten nicht verwertbar.

Nun soll an dieser Stelle nicht der Eindruck entstehen, als ob Mediziner im Rahmen des Haushaltsführungsschadens als Gutachter keine Rolle spielen dürften. Das Gegenteil ist richtig! Ohne eine kompetente Aussage des Mediziners zum Ver...

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