Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 102
In der Praxis der vorweggenommenen Erbfolge wird eine Zuwendung unter Widerrufsvorbehalt – gesichert durch eine Rückauflassungsvormerkung – als probates Mittel angesehen, um den Zugriff des Zuwendungsempfängers oder Dritter auf eine Zuwendung abzuwenden.
Die Zulässigkeit und die Wirksamkeit solcher Konstrukte sind zivilrechtlich anerkannt, im Sozialrecht aber nicht gesichert. Im BAföG, das Schulden und Lasten von Vermögensgegenständen abzieht, wird eine solche Vereinbarung bereits in den Verwaltungsvorschriften zum BAföG und in der Rechtsprechung anerkannt, weil in solchen Fällen durch die Zuwendung zwar eine Bereicherung des Zuwendungsempfängers vorliegt, der Zuwendende aber ein Rückforderungsrecht hat.
Rz. 103
Ein solches Rückforderungsrecht ist im SGB II und SGB XII, wo Gegenansprüche bei der Bestimmung, was Einkommen und was Vermögen ist, nicht berücksichtigt werden dürfen, zunächst einmal ohne Belang. Solche nachrangigen Leistungssysteme können die Nichtverwertung bzw. Nichteinsetzbarkeit nur anders erreichen, nämlich z.B. dadurch, dass nur Mittel berücksichtigt werden können, die zur Bedarfsdeckung "bereit" sind oder als Vermögen tatsächlich in angemessener Zeit verwertet werden können. Ist völlig ungewiss, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, liegen keine bedarfsdeckenden bereiten Mittel vor oder ist von Unverwertbarkeit des Vermögens auszugehen.
Rz. 104
Das gilt auch dann, wenn konkret feststeht, wann über das Vermögen verfügt werden kann, der Zeitrahmen aber so weit hinausgeschoben ist, dass man eine Verwertung nicht mehr für angemessen hält. In solchen Fällen diskutiert die Rechtsprechung gerade darüber, was "zeitnah" bedeutet. In der Rechtsprechung werden für Versicherungen neuerdings Zeiträume von bis zu 25 Jahren in Betracht gezogen. Anders als in den BAföG-Fällen gibt es in diesen Fällen bei Verwertbarkeit in der Zukunft nämlich nur ein Darlehen statt einen lebzeitig anrechnungsfreien Zufluss.
Rz. 105
Ein sozialhilferechtlicher Gleichlauf der Fallgestaltung mit dem Zivilrecht kann daher aktuell noch nicht sicher angenommen werden, zumal gerade für diese Fallkonstellation immer wieder angenommen wird, dass eine solche Fallgestaltung aus sozialhilferechtlicher Sicht nach § 138 BGB als nichtig anzusehen sei.
Rz. 106
Hinweis
Das Konstrukt schließt bei einer Zuwendung unter Widerrufsvorbehalt – gesichert durch eine Rückauflassungsvormerkung – auch nicht aus, dass eine Verwertbarkeit entsteht, wenn der Rückforderungsvorbehalt wegfällt, z.B. durch den Tod des Rückforderungsberechtigten.