Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 86
Streitig ist, ob bei einer Klagehäufung von Kündigungsschutz und Zahlung eine Addition der Streitwerte vorzunehmen ist.
Nach richtiger Auffassung handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände und deshalb hat eine Addition stattzufinden. Der Streitgegenstand wird durch die Klageanträge bestimmt: Ein Feststellungsantrag und ein Zahlungsantrag sind nicht gleich. Ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis hat andere Folgen als eine zu zahlende Arbeitsvergütung.
Nach einer anderen Ansicht ist zu differenzieren: Wird eine rückständige, nicht vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängige Vergütung eingeklagt (z.B. nicht gezahlte Vergütung für Überstunden, nicht gezahlte Prämien, einbehaltenes Weihnachtsgeld), werden diese rückständigen Gehälter dem Streitwert für die Feststellungsklage hinzuaddiert. Wird hingegen Vergütung eingeklagt, die erst nach dem streitigen Beendigungstermin fällig wird und damit vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängig ist, wird der höhere der wirtschaftlich identischen Ansprüche für den Streitwert zugrunde gelegt. Nach wieder anderer Ansicht sind Verzugslohnansprüche, die gleichzeitig mit einer Kündigungsschutzklage geltend gemacht werden und deren Begründetheit allein vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängt, mit 20 % des eingeklagten Betrags in Ansatz zu bringen.
Rz. 87
Bei einer fristlosen Kündigung mit einer hilfsweisen fristgerechten Kündigung sollte (Vorteile für den Arbeitnehmer: Titulierung, vorläufige Vollstreckbarkeit, Wahrung von Ausschluss- und Verjährungsfristen) neben der Unwirksamkeit dieser beiden Kündigungen sogleich die Vergütung für die Zeit bis zum Ende der Kündigungsfrist eingeklagt werden. Auch wenn diese Zeit bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen ist und daher die Klage beim Einreichen möglicherweise noch unbegründet sein könnte (Klage auf künftige Leistung gem. § 257 ZPO), empfiehlt sich dieses Vorgehen, wenn im Zeitpunkt der Kammerverhandlung die Kündigungsfrist ohnehin abgelaufen sein wird. Gegebenenfalls kann in der Kammerverhandlung die Zahlungsklage wegen noch nicht fälliger Beträge wieder zurückgenommen werden.
Rz. 88
In solchen Fällen wird die Zahlungsklage zum Streitwert der Feststellungsklage hinzuaddiert, weil nicht nur die Vergütung in der Vergangenheit streitig ist, sondern auch der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in der Zukunft.
Rz. 89
Wird dagegen eine fristgerechte Kündigung angegriffen und die Vergütung für die nächsten drei Monaten nach Ablauf der Kündigungsfrist mit eingeklagt, gehen die Arbeitsgerichte im Bereich des LAG Niedersachsen überwiegend davon aus, dass hier eine Identität vorliegt. Diese Argumentation steht aber im Widerspruch zu der Argumentation, wonach Feststellungsklagen zulässig sind. Ginge es im Bereich einer Feststellungsklage lediglich um die Vergütung für die nächsten drei Monate, könnte man Feststellungsklagen nicht als zulässig ansehen.
Rz. 90
Sind bis zum Zeitpunkt der Kammerverhandlung mehr als drei Monate verstrichen, so kann für den gesamten Zeitraum mit der Kündigungsschutzklage die Vergütung eingeklagt werden. Es ist dann auch nach der restriktiven Rechtsprechung des LAG Niedersachsen der höhere Wert zugrunde zu legen. Allerdings legt der Arbeitnehmervertreter damit offen, wie hoch das Annahmeverzugsrisiko des Arbeitgebers ist.
Rz. 91
In jedem Einzelfall wird daher zu prüfen sein, ob Regelungen zu Ausschlussfristen oder Verjährungsfristen zwingend die Erhebung von Zahlungsklagen gebieten und ob es taktisch sinnvoll ist, Zahlungsklagen im Wege der Klageerweiterung geltend zu machen.
Rz. 92
Der Streitwertkatalog sieht für Klageerweiterungen im Rahmen von Bestandsstreitigkeiten keine Addition der Werte vor, sondern geht aufgrund einer wirtschaftlichen Identität zwischen dem Bestand des Arbeitsverhältnisses und des Annahmeverzugslohns von einem Quartalsverdienst oder dem Zahlbetrag des Annahmeverzugslohns aus. Für den tatsächlichen Streitwert ist der jeweils höhere Wert entscheidend.