Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 4
Nach § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwaltes, vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Damit stellt sich die Frage, was unter einer Angelegenheit zu verstehen ist. Das RVG bestimmt diesen Begriff nicht ausdrücklich. Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff. Da die pauschalen Gebühren die gesamte Tätigkeit des Anwaltes von der Erteilung des jeweiligen Auftrages bis zu dessen Erledigung abgelten, wird deutlich, dass es wesentlich auf Art und Umfang des Auftrages des Anwaltes ankommt. Der Begriff der Angelegenheit ist auch weiterhin gesetzlich nicht definiert. Es gibt keine allgemeine Richtlinie, wann dieselbe Angelegenheit und wann verschiedene Angelegenheiten vorliegen. Es obliegt vielmehr der Rechtsprechung und dem Schrifttum diesen Begriff auszufüllen. Nach allgemeiner Auffassung liegt eine Angelegenheit regelmäßig vor, wenn:
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ein Auftrag vorliegt, |
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ein Rahmen der Tätigkeit und |
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ein innerer Zusammenhang besteht. |
Rz. 5
Ein neuer Auftrag leitet grundsätzlich eine neue Angelegenheit ein. Es gibt für den Mandanten allerdings auch die Möglichkeit der Auftragserweiterung, § 15 Abs. 5 S. 1 RVG. Wenn der Anwalt eine ihm angebotene Auftragserweiterung ablehnen will, muss er dies unverzüglich tun, § 44 BRAO. Auch führen mehrere Teilaufträge nicht zu mehr Gebühren als ein Gesamtauftrag, sofern es sich um eine Angelegenheit handelt, § 15 Abs. 6 RVG.
Mehrere Verfahren bedeuten grundsätzlich mehrere Angelegenheiten, auch bei gleichartigen Sachverhalten. Der Auftrag ist in aller Regel auch der Streitgegenstand des Verfahrens.
Rz. 6
Wenn der Arbeitnehmer den Rechtsanwalt beauftragt, wegen einer Kündigung durch den Arbeitgeber tätig zu werden, ist dies eine Angelegenheit. Kommt es dann zu einer Einigung, wonach das Arbeitsverhältnis fristgerecht endet und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zahlt, ist die Angelegenheit damit abgeschlossen.
Rz. 7
Kommt es nach dem Abschluss des Vergleichs während der laufenden Kündigungsfrist zu einer erneuten (fristlosen) Kündigung oder zahlt der Arbeitgeber die vertragliche Vergütung während der Kündigungsfrist nicht, stellt dies für den Anwalt, wenn der Arbeitnehmer ihn beauftragt, eine neue Angelegenheit dar. Zahlt der Arbeitgeber die vereinbarte Abfindung nicht zum vereinbarten Zeitpunkt und beauftragt der Arbeitnehmer den Anwalt mit der Durchsetzung der vereinbarten Abfindung, ist dies ebenfalls eine neue Angelegenheit. Diese beiden Beispiele stellen typische Folgemandate dar.
Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen es lediglich um die Durchführung des Vergleichs (z.B. Fälligkeit der Abfindung bei Vertragsschluss oder erst mit Ende des Arbeitsverhältnisses) geht. Diese Tätigkeit ist mit der Einigungsgebühr abgegolten.
Rz. 8
Das Verlangen der Herausgabe von Vollstreckungstiteln gehört noch zur ursprünglichen Angelegenheit. Im Hinblick auf die Unterschiede zwischen der Aufbewahrungsfrist von Unterlagen und Verjährungsfristen sollte sich der Rechtsanwalt darum bemühen, vor Abschluss der Angelegenheit und vor dem Ablegen der Akte erledigte Vollstreckungstitel von der Gegenseite heraus zu verlangen, da sonst die Gegenseite diese Titel zu einem erheblich späteren Zeitpunkt wieder benutzen könnte.
Weigert sich die Gegenseite jedoch, den Vollstreckungstitel herauszugeben oder erhebt die Gegenseite Einwendungen unabhängig von der ursprünglichen Angelegenheit, muss der Mandant entscheiden, ob er auf die Herausgabe des Vollstreckungstitels keinen Wert legt (z.B. weil er mit seinen Unterlagen die Erfüllung auch noch in ferner Zukunft beweisen kann) oder den Anwalt erneut beauftragen will. Ein solcher Auftrag wäre eine neue Angelegenheit, die neue Gebühren auslöst.
Rz. 9
Möchte der Arbeitnehmer ein qualifiziertes Zeugnis und anschließend ein erteiltes qualifiziertes Zeugnis berichtigt haben, sind dies zwei verschiedene Angelegenheiten. Der Lebenssachverhalt hat sich geändert und der Auftragsgegenstand ist ein anderer, wie auch die unterschiedlichen Klageanträge belegen.