Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 68
Bei Mehrfachkündigungen ist umstritten, ob und in welcher Höhe mehrere Kündigungen den Streitwert erhöhen. Die Beantwortung der Frage hängt wesentlich davon ab, ob § 42 Abs. 2 S. 1 GKG als absolute Höchstgrenze auch bei mehreren zeitnahen Kündigungen oder als Regelwert für jeden Beendigungstatbestand anzusehen ist.
Rz. 69
Nach richtiger Auffassung ist für jede Kündigung ein Quartalsverdienst anzusetzen, wenn zwischen zwei Kündigungen ein längerer Zeitraum als drei Monate liegt und damit das wirtschaftliche Interesse gleich oder größer als ein Verdienst für ein Quartal ist. Werden mehrere Kündigungen auf unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt, ist für jede Kündigung ein Quartalsverdienst auch dann anzusetzen, wenn zwischen den angestrebten Beendigungsterminen ein kürzerer Zeitraum als drei Monate liegt. Werden mehrere eigenständige Kündigungen ausgesprochen, ist jeder Kündigung der ihr eigene Streitwert zuzuerkennen.
Rz. 70
Die gegen verschiedene Kündigungen gerichteten Feststellungsanträge, die innerhalb eines Prozesses geltend gemacht werden, werden u.E. grundsätzlich jeweils einzeln mit einem Vierteljahresverdienst gemäß § 42 Abs. 2 S. 1 GKG bewertet und alsdann addiert. Schon wegen der punktuellen Streitgegenstandstheorie in Kündigungsrechtsstreitigkeiten liegen mit einzelnen angegriffenen Kündigungen unterschiedliche Streitgegenstände vor, die auch streitwertmäßig getrennt zu berücksichtigen sind. Nach den allgemeinen Streitwertbemessungsgrundsätzen sind nebeneinander im Wege der objektiven Klagehäufung verfolgte Feststellungsanträge selbstständig zu bewerten und zusammenzurechnen, sofern sie nicht identisch sind oder doch zumindest wirtschaftlich denselben Streitgegenstand betreffen. Haben die Feststellungsanträge verschiedene Kündigungen zum Gegenstand, so kann im Regelfall von einer wirtschaftlichen Identität dieser Anträge nicht ausgegangen werden.
Rz. 71
Wirtschaftlich als eine Einheit können im Ausnahmefall verschiedene Kündigungen dann angesehen werden, wenn die Kündigungen unmittelbar, etwa zur Ausräumung eines Formmangels, hintereinander ausgesprochen werden oder wenn es sich um Kündigungen handelt, die auf denselben Grund gestützt werden, denen also ein identischer Lebenssachverhalt zugrunde liegt. Liegen die Kündigungstermine aber wochen- oder monatelang auseinander, so sind die jeweiligen Feststellungsanträge mit einem Vierteljahresbetrag gemäß § 42 Abs. 2 S. 1 GKG zu bewerten.
Rz. 72
Spricht der Arbeitgeber in einem zeitnahen Zusammenhang und wegen eines gleichen Lebenssachverhaltes vorsorglich eine zweite Kündigung aus, dann kann der auf die zweite Kündigung bezogene Klageantrag wegen wirtschaftlicher Identität mit dem auf die erste Kündigung bezogenen Klageantrag nicht mit dem Regelwert des § 42 Abs. 2 S. 1 GKG bewertet werden.
Rz. 73
Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 9 Rdn 1 f.). Bei einer Folgekündigung ohne Veränderung des Beendigungszeitraumes soll danach keine Erhöhung des Streitwertes stattfinden. Auch wenn die Kündigungen in verschiedenen Schreiben erklärt werden, soll der Streitwert nur höchstens einen Quartalsverdienst betragen. Liegen zwischen den Beendigungszeitpunkten weniger als drei Monate, soll nur die Entgeltsumme für den Zeitraum zwischen den Beendigungszeitpunkten maßgeblich sein.
Rz. 74
Vor dem Streitwertkatalog war umstritten, wie sich der Streitwert für die weiteren Kündigungen erhöht. Nach einer Ansicht war unabhängig davon, ob der für die zweite Kündigung beabsichtigte Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses um einige Monate verschoben werden könnte, der Wert des auf die nachfolgende, vorsorglich ausgesprochene Kündigung bezogenen Klageantrags regelmäßig mit einem Monatsgehalt des Klägers anzusetzen. Für die Wertfestsetzung hat es in der Regel keine Bedeutung, ob der Arbeitnehmer den auf die erste Kündigung bezogenen Klageantrag im gleichen Verfahren oder mit einem auf die zweite Kündigung bezogenen Antrag erweitert oder ob er in Bezug auf die zweite Kündigung ein weiteres Kündigungsschutzverfahren einleitet.
Rz. 75
Nach anderer Ansicht ist bei identischem Kündigungssachverhalt oder zumindest wirtschaftlich denselben Streitgegenstand betreffende Kündigungen ohne Hinzutreten weiterer rechtlicher oder tatsächlicher Gesichtspunkte keine Streitwerterhöhung vorzunehmen. Auch für den Fall, dass weitere Kündigungen nach einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung ausgesprochen worden sind, solle der Streitwert regelmäßig nicht mehr als drei Bruttomonatsbezüge insgesamt betragen, sobald der Arbeitnehmer sämtliche Kündigungen mit einer Kündigungsschutzklage angreift.
Rz. 76
Es bleibt abzuwarten, ob diese Ansichten auch zukünftig vertreten werden. Im Ergebnis sind beide Ansichten abzulehnen. Mit § 42 Abs. 2 GKG hat der Gesetzgeber eine Ausnahmevorschrift geschaffen, damit der Gegenstandswert nicht bis zum dreifachen Jahresentgelt steigen kann (§ 42 Abs. 1 GKG). Die...