Rz. 95

Die Verweisung auf ein ausländisches Recht erfasst gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB grundsätzlich auch das ausländische Kollisionsrecht. Bevor also die Vorschriften des ausländischen materiellen Familienrechts (die Sachnormen) angewandt werden, sind vorrangig die ausländischen Kollisionsnormen zu prüfen. Ergibt sich aus dem ausländischen IPR, dass die Frage nach dem deutschen Recht zu beurteilen ist, ist dies als "Rückverweisung" gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB, also als Verweisung unmittelbar auf deutsches Sachrecht (Sachnormverweisung), zu behandeln. Im Ergebnis wird also deutsches Recht angewandt.

Beispiel: Heiraten zwei in Deutschland lebende Franzosen, so verweist Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB für die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe auf das französische Recht als deren gemeinsames Heimatrecht. In Frankreich freilich wird – gem. Art. 4 Abs. 1 der Haager Ehegüterrechtskonvention vom 14.3.1978[133] – das Güterstatut danach bestimmt, in welchem Staat die Eheleute ihren ersten ehelichen gewöhnlichen Aufenthalt hatten.[134] Aus französischer Sicht ist also deutsches Recht anzuwenden.[135] Damit gilt aus deutscher Sicht gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB das deutsche materielle Güterrecht. Freilich ist zu beachten, dass aus französischer Sicht eine Rückverweisung des deutschen IPR auf das französische Heimatrecht der Eheleute vorläge.[136]

 

Rz. 96

Möglich ist auch, dass das verwiesene Recht auf das Recht eines dritten Staates verweist – im Beispiel (siehe Rdn 95) z.B. dann, wenn die französischen Eheleute in Cardiff leben, wo sie beide an einer Schule als Sprachlehrer beschäftigt sind (Weiterverweisung). In diesem Fall entscheidet das französische Recht, ob auf diese Verweisung unmittelbar das materielle Recht oder aber das IPR des Landesteils England und Wales anzuwenden ist – welches z.B. für in Deutschland belegene Immobilien auf das deutsche Belegenheitsrecht verweisen würde. Gelangt man auf diese Weise wieder zum deutschen Recht, ist hier in entsprechender Anwendung von Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB abzubrechen (mittelbare Rückverweisung). Handelt es sich bei der Verweisung durch das französische Recht um eine Sachnormverweisung, bleibt es bei der Geltung des englischen Rechts.

[133] Ausf. Ring/Olsen-Ring, § 1 Rdn 75 ff.
[134] Art. 4 Abs. 1 der Güterrechtskonvention 1978.
[135] Die fehlende Ratifikation der Konvention durch Deutschland berührt die Verweisung auf das deutsche Recht hier nicht, da diese für Frankreich als loi uniforme (siehe Rdn 24) auch im Verhältnis zu Nicht-Abkommensstaaten gilt.
[136] In concreto würde diese Rückverweisung aus französischer Sicht dennoch nicht beachtet, da das Haager Güterrechtsübereinkommen die Beachtung einer Rückverweisung in dieser Konstellation ausdrücklich ausschließt.

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