a) Bestimmung des Scheidungsstatuts durch Rechtswahl
Rz. 268
Das auf die Scheidung anwendbare Recht bestimmt sich seit dem 21.6.2012 anhand der Regeln in der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III-VO).
Rz. 269
Das Scheidungsstatut bestimmt sich vorrangig anhand einer von den Ehegatten vertraglich vereinbarten Rechtswahl. Gemäß Art. 6 Rom III-VO können die Eheleute das auf die Ehescheidung oder die Trennung anzuwendende Recht durch einvernehmliche Vereinbarung bestimmen. Dabei stehen die folgenden Rechtsordnungen zur Wahl:
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das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben; |
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das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; |
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das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt; |
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die lex fori (das Recht des Staates des angerufenen Gerichts). |
Rz. 270
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO unterliegen Zustandekommen und die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung dem gewählten Recht. Gegen die unerwartete Unterstellung einer "konkludenten" Rechtswahl oder die Herleitung einer Rechtswahl aus einem "rügelosen Einlassen" schützt Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO: Ergibt sich aus den Umständen, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Wirkung des Verhaltens eines Ehegatten nach dem angeblich vereinbarten Recht zu bestimmen, so kann sich dieser Ehegatte für die Behauptung, er habe der Vereinbarung nicht zugestimmt, auf das Recht des Staates berufen, in dem er zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Rz. 271
Die Rechtswahl muss gem. Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO noch vor der Anrufung des Gerichts vereinbart oder geändert werden. Sieht das Recht des angerufenen Gerichts dies vor, so können die Ehegatten die Rechtswahl jedoch auch noch im Laufe des Verfahrens vornehmen. Da es im deutschen Scheidungsverfahren für die Sach- und Rechtslage regelmäßig auf den Stand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt, dürfte wohl auch eine während der mündlichen Verhandlung zustande gekommene Rechtswahl der Eheleute anerkannt werden – vor allem dann, wenn die Beteiligten das deutsche Recht wählen.
Rz. 272
Die Rechtswahlvereinbarung ist gem. Art. 7 Rom III-VO formwirksam, wenn sie unter Einhaltung der Schriftform getroffen wurde, datiert und durch beide Ehegatten unterzeichnet wurde. Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, erfüllen die Schriftform. Das Recht des teilnehmenden Mitgliedstaates, in dem beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, kann zusätzliche Formvorschriften für solche Vereinbarungen vorsehen (Art. 7 Abs. 2 Rom III-VO). Haben die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen teilnehmenden Mitgliedstaaten und sieht das Recht beider Staaten unterschiedliche Formvorschriften vor, so ist die Vereinbarung gem. Art. 7 Abs. 3 Rom III-VO formgültig, wenn sie den Vorschriften des Rechts eines einzigen dieser Mitgliedstaaten genügt. Hat zum Zeitpunkt der Rechtswahl nur einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem teilnehmenden Mitgliedstaat und sind in diesem Staat zusätzliche Formanforderungen für die Rechtswahl vorgesehen, sind diese Formanforderungen anzuwenden; die schwächere Form eines nicht teilnehmenden Drittstaates genügt also nicht zur Formwirksamkeit der Rechtswahl. In Deutschland soll nach dem Refentenentwurf zu einem Umsetzungsgesetz zur Rom III-VO vom Mai 2012 ein entsprechendes Beurkundungserfordernis in Art. 43d EGBGB aufgenommen werden. Das ist konsequent, denn es entspricht der in Art. 14 Abs. 4 EGBGB vorgegebenen allgemeinen Systematik. Insoweit ist abzuwarten, ob der Bundesgesetzgeber in den Ausführungsvorschriften zur Rom III-VO ein entsprechendes Beurkundungserfordernis aufnehmen wird.
Rz. 273
Hinweis: Gemäß Art. 18 Abs. 1 S. 2 Rom III-VO ist eine Rechtswahlvereinbarung, die vor dem Inkrafttreten der Rom III-VO am 21.6.2012 geschlossen wurde, wirksam, sofern sie nur die Voraussetzungen nach den Art. 6 und 7 Rom III-VO erfüllt. Eine entsprechende Rechtswahlklausel konnte also bereits damals in einen notariellen Ehevertrag vorsorglich für den Fall aufgenommen werden, dass die Scheidung erst nach dem 21.6.2012 rechtshängig gemacht wird.
b) Objektive Anknüpfung des Scheidungsstatuts
Rz. 274
Gemäß Art. 8 Rom III-VO ist mangels einer wirksamen Rechtswahl der Ehegatten das auf die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht nach einer Anknüpfungsleiter anzuknüpfen. Die Anknüpfungstechnik entspricht Art. 14 EGBGB, wobei allerdings nicht mehr die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute, sondern der gewöhnliche A...