Rz. 159

Auch im Rahmen einer Verweisung nach Art. 14 Abs. 2 EGBGB sind Rück- und Weiterverweisung des ausländischen Rechts gem. Art. 4 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich zu beachten. Freilich ergeben sich hier zwei Zweifelsfragen:

 

Rz. 160

Ergibt sich die Rück- oder Weiterverweisung im ausländischen IPR aus einer einseitigen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit oder ein anderes Merkmal allein des Ehemannes, stellt sich die Frage, ob diese gleichheitswidrig angeknüpfte Verweisung beachtlich ist oder gegen Art. 6 EGBGB verstößt.[212] Überwiegend wird die Beachtlichkeit der Rückverweisung bejaht, da die Geltung deutschen Rechts die Ehefrau nicht im Ergebnis benachteilige (siehe Rdn 106).[213] Freilich kann sich eine Benachteiligung u.U. unabhängig vom Inhalt des Rechts schon daraus ergeben, dass sie sich nach einem Recht richten muss, zu dem die Ehefrau u.U. keinerlei tatsächliche Beziehungen hat.

 

Rz. 161

Das zweite Problem ergibt sich nach einer Verweisung aufgrund von Art. 14 Abs. 2 Nr. 4 EGBGB. Hier wird teilweise die Ansicht vertreten, eine Rück- oder Weiterverweisung dürfe nach Ermittlung der engsten Verbindung nicht mehr beachtet werden. Sie laufe der gesetzgeberischen Wertung zuwider, das für den konkreten Fall sachnächste Recht zur Anwendung zu bringen, und sei daher "sinnwidrig" i.S.v. Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EGBGB.[214] Des Rätsels Lösung ergibt sich hier m.E. bereits aus einer genauen Lektüre der Vorschrift: Maßgeblich ist das Recht des Staates, mit dem die Eheleute auf andere Weise am engsten verbunden sind. Dies macht deutlich, dass auch die Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit und den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Art. 14 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 EGBGB das Ziel verfolgen, das Recht zu bestimmen, mit dem die Eheleute am engsten verbunden sind. Greifen diese typisierten Tatbestände nicht durch, muss sich der Rechtsanwender selber auf die Suche nach dem angemessenen Anknüpfungspunkt machen. Da dieser regelmäßig eine weniger enge Verbindung als die gemeinsame Staatsangehörigkeit etc. indizieren wird, sollte man hier – mit der zunehmend vertretenen Ansicht – "erst recht" die Rückverweisung befolgen.[215]

[212] Verfehlt ist es in diesem Zusammenhang, die Unbeachtlichkeit der Rückverweisung an Art. 4 Abs. 1 "Sinn der Verweisung" festzumachen (so z.B. BGH NJW 1988, 638), denn eine Rückverweisung beruht immer darauf, dass der Kollisionsnorm des anwendbaren Rechts abweichende Grundsätze zugrunde liegen, so dass es zu einer abweichenden Verweisung kommt.
[213] Z.B. NK-BGB/Andrae, 3. Aufl. 2016, Art. 14 EGBGB Rn 55; anders Erman/Hohloch, 15. Aufl. 2017, Art. 14 EGBGB Rn 8.
[214] Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl. 2000, S. 63; Erman/Hohloch, 15. Aufl. 2017, Art. 14 EGBGB Rn 6.
[215] So auch v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, 2. Aufl. 2019, § 4 Rn 483; Staudinger/Hausmann, 2013, Art. 4 EGBGB Rn 103, 177; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2004, S. 348; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Lorenz, 4. Aufl. 2020, Art. 4 EGBGB Rn 13; Rauscher, NJW 1988, 2151; MüKo-BGB/von Hein, 8. Aufl. 2020, Art. 4 EGBGB Rn 43; Soergel/Schurig, 12. Aufl. 1996, Art. 14 EGBGB Rn 70; Palandt/Thorn, 79. Aufl. 2020, Art. 14 EGBGB Rn 3, 9, Art. 4 EGBGB Rn 8.

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