Rz. 188
Gemäß Art. 8 Abs. 1 HUntProt können die berechtigte und die verpflichtete Person eine der folgenden Rechtsordnungen als das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmen. Ausgeschlossen von der Rechtswahl sind Unterhaltsansprüche einer Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und eines Erwachsenen, der "aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen". Praktischer Hauptanwendungsfall für die Rechtswahl ist daher die ehevertragliche Vereinbarung über den Unterhalt zwischen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern:
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das Recht eines Staates, dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl angehört (Heimatrecht eines des Ehegatten); |
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das Recht des Staates, in dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Aufenthaltsrecht eines des Ehegatten); |
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das Recht, das die Parteien als das auf ihren Güterstand anzuwendende Recht gewählt haben, oder das tatsächlich darauf angewandte Recht (Güterstatut). Die Ankopplung des Unterhaltsstatuts an das Güterstatut vermeidet insbesondere dort Probleme, wo – wie z.B. im englischen Recht – beide Bereiche durch eine einheitliche Maßnahme geregelt werden. Problematisch an dieser Anknüpfung ist, dass noch nicht alle Staaten der EU eine güterrechtliche Rechtswahl zulassen und die objektive Anknüpfung des Güterstatuts noch recht uneinheitlich ist. Dementsprechend kann die Ankopplung an das Güterstatut also bei Gerichten verschiedener Länder zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Zuverlässige Wirkungen lassen sich mit dieser Rechtswahlklausel daher erst dann erreichen, wenn auch das internationale Güterrecht in der EU vereinheitlicht sein wird; |
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das Recht, das die Parteien als das auf ihre Ehescheidung anzuwendende Recht gewählt haben, oder das tatsächlich auf die Ehescheidung angewandte Recht (Scheidungsstatut). Insoweit gilt dann also in den Ländern, die an der "Verstärkten Zusammenarbeit" teilnehmen, das nach den Regeln der Rom III-Verordnung bestimmte Recht. |
Rz. 189
Die Rechtswahl muss gem. Art. 8 Abs. 2 HUntProt in Schriftform erfolgen und ist von beiden Parteien zu unterschreiben. Umstritten ist hier, ob das nationale Recht an die Rechtswahl weitergehende formelle Anforderungen stellen kann. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Option keinen Gebrauch gemacht, so dass es für die deutschen Gerichte bei dem einfachen Schriftformerfordernis bleibt. Das HUntProt verlangt zwar keine ausdrückliche Rechtswahl, so dass diese auch "konkludent" erfolgen könnte – insbesondere durch Bezugnahme auf Regeln oder Rechtsinstitute, die nur einer einzigen Rechtsordnung bekannt sind. Bei professionell gestalteten Verträgen dürfte es aber selbstverständlich sein, dass eine Rechtswahl dann, wenn sie beabsichtigt war, auch ausdrücklich getroffen wird.
Rz. 190
Gerade dann, wenn nach dem aktuellen Wohnsitzrecht ein Unterhaltsverzicht zulässig ist, kann sich eine Wahl dieses Rechts empfehlen, um zu verhindern, dass infolge eines Umzugs des Unterhaltsberechtigten ein Recht zur Anwendung gelangt, wonach sich die Unterhaltvereinbarung auf den Unterhaltsanspruch nicht mehr oder zumindest nicht mehr in diesem Maße auswirkt. Es gilt also quasi, das aktuelle vereinbarungsfreundliche Unterhaltsstatut "einzufrieren".
Rz. 191
Herbeiwählen kann man die Verzichtsmöglichkeit aber nicht: Gemäß Art. 8 Abs. 4 HUntProt bleibt nämlich trotz Rechtswahl das Recht des Staates, in dem die berechtigte Person im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, weiterhin dafür maßgebend, ob sie auf ihren Unterhaltsanspruch verzichten kann. Das betrifft dann nicht nur den Totalverzicht auf Unterhalt, sondern auch solche Vereinbarungen, die den Unterhalt im Ergebnis reduzieren, also einen teilweisen Verzicht konstituieren. Unklar ist insoweit insbesondere, ob der Vorbehalt daher auch für eine Rechtswahl gilt, die zur Geltung eines Rechts führt, das dem Ehegatten im Ergebnis einen Unterhalt versagt oder wesentlich reduziert.
Rz. 192
Das von den Parteien gewählte Recht ist gem. Art. 8 Abs. 5 HUntProt ebenfalls nicht anzuwenden, wenn seine Anwendung für eine der Parteien offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte. Das ist allerdings ausdrücklich dann nicht anzunehmen, wenn die Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl umfassend unterrichtet und sich der Folgen ihrer Wahl vollständig bewusst waren. Das ist der Fall, wenn die Ehegatten bei Beurkundung des Ehevertrages vom Notar über die Unterscheide zwischen dem gewählten und dem abbedungenen Recht umfassend informiert und beraten worden sind. Geht es – wie wohl in den meisten Fällen – allein darum, das geltende Recht festzuschreiben, und ist nicht vorhersehbar, welche Rechtsordnung später über Art. 3 HUntProt zur Anwendung gelangen könnte, so dürfte aber wohl – mangels konkret erkennbarer Alternativrechtsordnung – m.E. eine Aufklärung ü...