Rz. 393
Art. 19 Abs. 1 EGBGB sieht, um die Feststellung der Abstammung zu begünstigen, drei Anknüpfungspunkte vor, die also im Einzelfall zur Geltung von bis zu drei Rechtsordnungen führen können, die nebeneinander gelten (alternative Anknüpfung):
aa) Gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes
Rz. 394
Zunächst unterliegt die Abstammung gem. Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB dem Recht des Ortes, an dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der gewöhnlicher Aufenthalt ist wandelbar, z.B. wenn das Kind mit seiner Mutter ins Ausland zieht oder zu dem im Ausland lebenden Vater verbracht wird. Da die Anknüpfung nicht auf den Zeitpunkt der Geburt fixiert ist (so aber bei akzessorischer Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut gem. Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB; siehe Rdn 397), kann sich aus dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts auch eine Änderung des Abstammungsstatuts (Statutenwechsel) ergeben, mit der Folge, dass auch die Vaterschaftsvermutungen neu entstehen, entfallen oder wechseln. Ist die Abstammung des Kindes durch Anerkennung oder durch gerichtliches Urteil festgestellt worden, so ist der bei Abgabe der Anerkennungserklärung bzw. zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Abstammungsprozess bestehende gewöhnliche Aufenthalt des Kindes maßgeblich. Soweit danach die Anerkennung bzw. das Urteil die Abstammung begründet, soll sich eine spätere Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts auf die Abstammung nicht mehr auswirken können (Unwandelbarkeit). Der Status des Kindes bleibt erhalten.
Rz. 395
Problematisch freilich ist der Fall, dass der Status nur ex lege begründet war – beispielsweise durch eine gesetzliche Abstammungsvermutung. Für diesen Fall wird in der Literatur vertreten, auch hier verlange der Schutz wohlerworbener Recht, dass die Abstammung weiterhin nach dem ehemaligen Aufenthaltsrecht bestimmt werden könne. Faktisch wird der Kreis der alternativ anwendbaren Rechte dadurch über den gesetzlich vorgegebenen Rahmen u.U. erheblich erweitert.
bb) Heimatrecht der Eltern
Rz. 396
Alternativ kann die Abstammung zu Vater oder Mutter auch nach dessen/deren jeweiligem Heimatrecht bestimmt werden (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Sollte die Staatsangehörigkeit gewechselt haben, so ist auch hier auf den Zeitpunkt der Anerkennung bzw. der letzten mündlichen Verhandlung im Abstammungsprozess abzustellen. Naturgemäß sorgt die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit jedoch für erheblich stabilere Verhältnisse, als dies beim gewöhnlichen Aufenthalt der Fall wäre.
cc) Verweisung auf das Ehewirkungsstatut
Rz. 397
Gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB kann die Abstammung schließlich auch nach dem Recht bestimmt werden, dem die allgemeinen Wirkungen der Ehe der verheirateten Mutter bei der Geburt unterlagen. Hierbei handelt es sich um eine auf den Zeitpunkt der Geburt fixierte Anknüpfung. Grund für diese Fixierung ist wohl nicht so sehr die Vermeidung des Statutenwechsels als die Möglichkeit, dass die Ehe bei Feststellung bereits beendet sein kann. In diesem Fall ist das Bestehen der Ehe nach Art. 13 EGBGB "selbstständig" anzuknüpfen. Das allgemeine Ehewirkungsstatut ist ausschließlich gem. Art. 14 Abs. 1 EGBGB zu bestimmen. Eine ausnahmsweise zulässige, auf das allgemeine Ehewirkungsstatut bezogene Rechtswahl gem. Art. 14 Abs. 2 bzw. Abs. 3 EGBGB bleibt also für das Abstammungsstatut unbeachtet. War die Ehe bei Geburt bereits aufgelöst, so ist der Rückgriff auf das allgemeine Ehewirkungsstatut ausgeschlossen. Ausgenommen ist hier allein der Fall, dass die Ehe durch Tod des Ehemannes der Mutter vor der Geburt aufgelöst wurde (Art. 19 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 EGBGB).