aa) Anerkennungsverfahren für ausländische Scheidungsurteile
Rz. 308
Nach den allgemeinen Regeln des deutschen internationalen Zivilprozessrechts wirkt ein ausländisches Gestaltungsurteil im Inland ipso iure, soweit es im Urteilsstaat – nach dem dort geltenden Zivilverfahrensrecht – wirksam ist und nicht einer der in § 109 FamFG genannten Versagungsgründe (siehe Rdn 315) gegeben ist. Freilich gilt diese Regel für ausländische Scheidungsurteile nicht (es sei denn, die Anerkennung ergibt sich aus der Brüssel IIa-VO oder es ergibt sich eine Ausnahme von der Anerkennungspflicht aus § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG). Hier hat § 107 FamFG für die meisten Fälle ein besonderes Anerkennungsverfahren geschaffen. Zuständig für die Durchführung des Anerkennungsverfahrens ist das Justizministerium des Bundeslandes, in dem einer der Ehegatten seinen Wohnsitz hat (§ 107 Abs. 2 FamFG). In vielen Bundesländern ist diese Aufgabe gem. § 107 Abs. 3 FamFG auf den Präsidenten des OLG delegiert worden. Die Entscheidung gem. § 107 FamFG, ist für alle inländischen Behörden und Gerichte bindend (§ 107 Abs. 9 FamFG).
Rz. 309
Hinweis: Solange die Entscheidung über die Anerkennung nicht ergangen ist, kann die ausländische Scheidung im Inland nicht beachtet werden. Insoweit besteht also für die Justizverwaltung ein sog. Anerkennungsmonopol, das zu einer sogar die Gerichte bindenden Entscheidung der Verwaltung führt.
Rz. 310
Solange die (erforderliche) Anerkennung nicht erfolgt ist, können die Eheleute nicht als geschieden angesehen werden. Es kann sogar erneut Scheidungsklage im Inland erhoben werden. Taucht also in einem gerichtlichen Verfahren die Frage nach der Wirksamkeit der Scheidung als Hauptfrage oder als Vorfrage (z.B. bei einem Antrag des Ehegatten auf Durchführung des Versorgungsausgleichs) auf, so muss das Gericht das Verfahren aussetzen und den Ausgang des Feststellungsverfahrens abwarten. Freilich hat die Entscheidung für die Auflösung der Ehe keine konstitutive Wirkung. Nach Anerkennung gelten die Eheleute auch im Inland als im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des anerkannten Urteils geschieden, die Anerkennung hat also "Rückwirkung".
Rz. 311
Der besondere Vorteil des Verfahrens liegt darin, dass durch die Konzentration bei einer zentralen Stelle eine Spezialisierung der damit betrauten Personen ermöglicht wird, so dass eine kompetente Bearbeitung gefördert wird. Des Weiteren braucht die Anerkennung nur ein Mal durchgefochten zu werden und erspart den Beteiligten, dass bei jeder relevanten Entscheidung – bis zum Nachlassverfahren – die Anerkennung inzidenter und mit ungewissem Ausgang von neuem aufzurollen ist.
Rz. 312
Ausgenommen von der Feststellungspflicht sind Entscheidungen durch ein Gericht des gemeinsamen Heimatstaates der Eheleute (§ 107 Abs. 1 S. 2 FamFG). Hier unterstellt man (freilich ohne dass dies der Wirklichkeit entspricht), dass die Anerkennungsfähigkeit regelmäßig unbedenklich ist. Wegen der besonderen Feststellungswirkungen können allerdings auch dann, wenn sich die Eheleute in ihrem gemeinsamen Heimatstaat haben scheiden lassen, die Eheleute das Anerkennungsverfahren fakultativ durchführen lassen. Die Wirkungen entsprechen dann denen eines obligatorischen Anerkennungsverfahrens. Diese Annahme soll aber nicht eingreifen, wenn die Eheleute im gemeinsamen Heimatstaat nicht gerichtlich durch Urteil, sondern durch Verwaltungsakt geschieden worden sind.
Rz. 313
Es bleibt damit bei der Feststellungspflicht für alle Ehescheidungen durch ein Gericht außerhalb der EU, wenn in der Ehe
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(mindestens) ein deutscher Ehegatte beteiligt war oder |
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die Eheleute unterschiedlichen Staaten angehörten oder |
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die Eheleute eine gemeinsame Staatsangehörigkeit hatten, sich aber nicht in ihrem gemeinsamen Heimatstaat scheiden ließen. |
bb) Anerkennung nach bilateralen Abkommen
Rz. 314
Bei der Anerkennung sind grundsätzlich bilaterale Abkommen über die Anerkennung vorrangig zu beachten. Die meisten dieser Abkommen bestehen zu EU-Mitgliedstaaten und sind daher zwischenzeitlich durch die Brüssel IIa-VO überlagert worden. Anderes gilt allein für das Abkommen mit der Schweiz vom 2.11.1929 und mit Tunesien vom 19.7.1966. Freilich geht die Anerkennungsverpflichtung nach den dort vorgesehenen Bestimmungen über die Anerkennungfähigkeit nach dem deutschen autonomen Recht (§§ 108, 109 FamFG) regelmäßig nicht hinaus, so dass diese Abkommen praktisch nicht geprüft zu werden brauchen, wenn sich die Anerkennung schon aus §§ 108, 109 FamFG ergibt.
cc) Anerkennungsvoraussetzungen nach autonomem Recht
Rz. 315
§ 108 FamFG geht davon aus, dass die aus...