aa) Verhältnis zum innerstaatlichen Recht

 

Rz. 23

In Staatsverträgen enthaltene "internationale" Kollisionsnormen erhalten im Inland Gesetzeskraft, wenn das von der Bundesregierung gezeichnete Abkommen vom inländischen Gesetzgeber ratifiziert wird.[49] Die Vorschriften gelten dann im Verhältnis zu den Vertragsstaaten wohl schon als "lex specialis" vorrangig vor den allgemeinen Kollisionsnormen des EGBGB, selbst wenn das Abkommen zeitlich vor den autonomen Normen ratifiziert worden sein soll.[50] Art. 3 EGBGB stellt den Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht nochmals ausdrücklich klar.

[49] Zu diesem Verfahren einführend Schweitzer, Staatsrecht III, 10. Aufl. 2010, Rn 100 ff.
[50] Erman/Hohloch, 15. Aufl. 2017, Art. 3 EGBGB Rn 13; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2006, S. 57.

bb) Inter partes und universell geltendes Recht

 

Rz. 24

Bei den Staatsverträgen kann man danach unterscheiden, ob diese nur im Verhältnis zu den anderen Vertragsstaaten (inter partes) gelten, oder ob diese universell anwendbares Recht (loi uniforme) schaffen. Zur ersten Sorte gehören regelmäßig die bilateralen Abkommen (siehe Rdn 9 ff.) und die Abkommen auf dem Bereich des internationalen Zivilverfahrensrechts. Aber auch einige multilaterale Abkommen enthalten eine entsprechende Beschränkung, insbesondere wenn sie auch verfahrensrechtliche Vorschriften enthalten. So gelten z.B. einige Regeln des KSÜ nur dann, wenn der Mündel seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, in dem das Abkommen gilt, andere verweisen auf das Aufenthaltsrecht auch dann, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat, der dem Abkommen nicht beigetreten ist. Die neueren, rein kollisionsrechtlichen Abkommen dagegen gelten als loi uniforme, so z.B. das Haager Unterhaltsabkommen von 1973 bzw. das Haager Unterhaltsprotokoll vom 23.11.2007 oder das Testamentsformabkommen von 1961. Die Kollisionsnormen der EU-Verordnungen gelten ebenfalls universal, verdrängen in ihrem zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich das nationale deutsche IPR also vollständig.

cc) Grundrechtskontrolle internationaler Normen

 

Rz. 25

Da die Abkommensnormen im Inland den Rang einfachen Gesetzesrechts haben, insbesondere auch nicht zu den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts i.S.v. Art. 25 GG gehören, unterliegen sie, wie jedes andere Gesetz, den Regeln des Grundgesetzes, insbesondere müssen sie sich eine Normenkontrolle durch das BVerfG gefallen lassen.

Beispiel: Auf diese Weise ist Art. 2 des Haager Ehewirkungsabkommens vom 17.7.1905, welches von der Bundesregierung mit Wirkung zum 23.8.1987 gekündigt worden ist (siehe Rdn 197), nicht mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar gewesen, weil die güterrechtlichen Wirkungen einer Ehe von Eheleuten unterschiedlicher Staatsangehörigkeit in Art. 2 des Abkommens dem Heimatrecht des Ehemannes unterstellt wurden. Nachdem das BVerfG die inhaltliche Verfassungswidrigkeit der gleichlautenden Verweisungsnorm in Art. 15 EGBGB a.F. festgestellt hatte,[51] konnte der BGH die Anwendung der Abkommensvorschrift ohne Vorlage zum BVerfG verwerfen, da es sich um praekonstitutionelles Recht handelte, das nicht dem Verwerfungsprivileg des BVerfG unterfällt. Für die Übergangsfälle gilt Art. 220 Abs. 3 EGBGB entsprechend.[52]

 

Rz. 26

Hinweis: Freilich ist zu berücksichtigen, dass die Korrektur anhand des Verfassungsrechts nur intern die Dinge richtet. Im Außenverhältnis führt die Nichtanwendung der Abkommensnorm zu einem völkerrechtlichen Vertragsverstoß.

[51] BVerfGE 63, 181 = NJW 1983, 1968.
[52] BGH NJW 1987, 583; NJW 1988, 638; einschr. Soergel/Schurig, 12. Aufl. 1996, Anh. Art. 16 EGBGB Rn 5 ff.

dd) Autonome Auslegung

 

Rz. 27

International vereinheitlichtes Kollisionsrecht dient der Herbeiführung eines internationalen Entscheidungseinklangs. Daher ist bei der Auslegung darauf zu achten, dass dieser Zusammenhang nicht durch eine zu starke Einbindung in das nationale Rechtsdenken wieder zerrissen wird.[53] Bei der Auslegung der im Abkommen verwandten Begriffe soll daher vorrangig eine abkommensautonome Auslegung erfolgen. In erster Linie ist daher die Auslegung auf eine ggf. im Abkommen enthaltene Legaldefinition zu stützten. Fehlt eine solche, sind zur Auslegung

der Zusammenhang mit den anderen Vorschriften des Abkommens,
die anderen Sprachfassungen des Abkommens (dies gilt insbesondere bei den Haager Übereinkommen, bei denen allein die englische und die französische Fassung "authentisch" sind; die deutsche Übersetzung wird zwar mit den anderen deutschsprachigen Staaten abgestimmt, ist aber letztlich im Verhältnis zu den anderen Abkommensstaaten unverbindlich) und
die dem Abkommen zugrunde liegenden offiziellen Materialien heranzuziehen.
Von Bedeutung mag auch die Auslegung in den anderen Abkommensstaaten sein[54] – freilich aber wohl nur dann, wenn es sich nicht um den "nationalen Sprachgebrauch" handelt, sondern sich insoweit eine einheitliche Auslegung des Abkommens bzw. von vergleichbaren Abkommensvorschriften ähnlicher Abkommen in mehreren Ländern bereits herausgebildet hat.
[53] BGH NJW 1969, 2083; NJW 1976, 1583.
[54] So Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Lorenz, 4. Aufl. 2020, Einl. IPR Rn 19.

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