I. Rechtsvergleichender Überblick
Rz. 249
Nachdem auch in Irland die Scheidung zugelassen worden ist, ist mittlerweile in nahezu allen europäischen Staaten (ausgenommen nur noch Malta und Vatikanstaat) die Scheidung anerkannt. Allerdings bestehen noch erhebliche Differenzen in den Voraussetzungen für die Scheidung (in Irland beträgt die Trennungszeit fünf Jahre, vielfach existiert die Verschuldensscheidung zumindest koexistent mit der Zerrüttungsscheidung und mit besonderen Rechtsfolgen fort), den Scheidungsfolgen (so findet in Österreich und Großbritannien eine vom Güterstand und von vertraglichen Vereinbarungen weitgehend unabhängige Aufteilung des ehelichen Vermögens statt; verschuldensabhängige Scheidungsfolgen gibt es in Italien und in der Türkei) sowie den Unterhalt (während Deutschland und Schweiz den lebenslänglichen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen kennen, wird die geschiedene Ehefrau in Skandinavien und Osteuropa weitgehend auf sich allein gestellt).
Rz. 250
Bei diesen Differenzen kommt in internationalen Ehen der Bestimmung des auf die Scheidung und die Scheidungsfolgen anwendbaren Rechts für die Beteiligten eine erhebliche Bedeutung zu. Da auch das Scheidungs-Kollisionsrecht in den einzelnen Staaten aufgrund der unterschiedlichen Traditionen und Rechtssysteme weiterhin ebenfalls erheblich differiert, muss der Anwalt genau beachten, vor welchem Gericht er – bei mehrfacher internationaler Zuständigkeit – Klage erhebt. Freilich hat in der Zwischenzeit auch die EU-Kommission dieses Rechtsgebiet für sich entdeckt. Nach der internationalen Zuständigkeit ist nun zumindest im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit in vierzehn Mitgliedstaaten der Union auch das Scheidungskollisionsrecht vereinheitlicht (Rom III-VO).
II. Internationale Zuständigkeit
1. Ausspruch der Scheidung bzw. Trennung von Tisch und Bett
a) Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-VO
Rz. 251
Vorrangig ist hier die Brüssel IIa-VO zu beachten, die gem. Art. 1 Abs. 1 lit. a die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung der Ehe umfasst. Hat keiner der Eheleute einen gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der EU, gehören die Eheleute nicht gemeinsam einem EU-Mitgliedstaat und ist auch aus einem anderen der in Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO genannten Gründe die Zuständigkeit der Gerichte keines anderen EU-Mitgliedstaates gegeben, kommen die autonomen Regeln zur internationalen Zuständigkeit zum Zuge (Restzuständigkeit, Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIa-VO).
b) Zuständigkeit nach dem autonomen Recht
Rz. 252
§ 98 FamFG eröffnet eine sehr weitgehende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die u.U. sogar über die nach der Brüssel IIa-VO gewährte Zuständigkeit hinausgehen kann. So genügt es – anders als in der Brüssel IIa-VO –, dass nur einer der Eheleute Deutscher ist oder bei Eheschließung war (§ 98 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Ebenso genügt der gewöhnliche Aufenthalt eines Ehegatten im Inland, also auch des Klägers, wenn dieser noch nicht ein Jahr angedauert hat. Dies gilt allerdings dann nicht mehr, wenn die Entscheidung offensichtlich in keinem der Heimatstaaten der Eheleute anerkannt würde (§ 98 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). Diese extensive Zuständigkeit lässt durchaus Fälle offen, in denen die "Restzuständigkeit" praktisch bedeutsam wird, z.B. ein deutscher Ehegatte, der mit seinem ausländischen Ehegatten außerhalb der EU lebt und nun vom Ausland aus in Deutschland die Scheidungsklage anstrengt.
2. Zuständigkeit für die güterrechtliche Auseinandersetzung
Rz. 253
Die Brüssel IIa-VO gilt hier nicht, da diese nur die Ehescheidung, außer der Verteilung der elterlichen Sorge aber keine Scheidungsfolgesachen erfasst. Auch die Brüssel I-VO gilt gem. ihrem Art. 1 Abs. 2 lit. a ausdrücklich nicht für "die ehelichen Güterstände". Damit kann insoweit weiterhin auf die autonomen Zuständigkeitsnormen des FamFG zurückgegriffen werden. Insbesondere ergibt sich somit – bei Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens in Deutschland – die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte als Verbundzuständigkeit gem. § 98 Abs. 2 FamFG. Außerhalb des Verbunds greifen die allgemeinen Zuständigkeitsregeln in den §§ 12 ff. ZPO (Wohnsitz des Beklagten in Deutschland etc.). Ggf. ergibt sich bei fehlendem Wohnsitz im Inland eine Zuständigkeit aus § 23 ZPO wegen Vermögens im Inland. Künftig erfasst diese Fälle Art. 5 ff. EUGüVO.