1. Ausspruch der Scheidung bzw. Trennung von Tisch und Bett
a) Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-VO
Rz. 251
Vorrangig ist hier die Brüssel IIa-VO zu beachten, die gem. Art. 1 Abs. 1 lit. a die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung der Ehe umfasst. Hat keiner der Eheleute einen gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der EU, gehören die Eheleute nicht gemeinsam einem EU-Mitgliedstaat und ist auch aus einem anderen der in Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO genannten Gründe die Zuständigkeit der Gerichte keines anderen EU-Mitgliedstaates gegeben, kommen die autonomen Regeln zur internationalen Zuständigkeit zum Zuge (Restzuständigkeit, Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIa-VO).
b) Zuständigkeit nach dem autonomen Recht
Rz. 252
§ 98 FamFG eröffnet eine sehr weitgehende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die u.U. sogar über die nach der Brüssel IIa-VO gewährte Zuständigkeit hinausgehen kann. So genügt es – anders als in der Brüssel IIa-VO –, dass nur einer der Eheleute Deutscher ist oder bei Eheschließung war (§ 98 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Ebenso genügt der gewöhnliche Aufenthalt eines Ehegatten im Inland, also auch des Klägers, wenn dieser noch nicht ein Jahr angedauert hat. Dies gilt allerdings dann nicht mehr, wenn die Entscheidung offensichtlich in keinem der Heimatstaaten der Eheleute anerkannt würde (§ 98 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). Diese extensive Zuständigkeit lässt durchaus Fälle offen, in denen die "Restzuständigkeit" praktisch bedeutsam wird, z.B. ein deutscher Ehegatte, der mit seinem ausländischen Ehegatten außerhalb der EU lebt und nun vom Ausland aus in Deutschland die Scheidungsklage anstrengt.
2. Zuständigkeit für die güterrechtliche Auseinandersetzung
Rz. 253
Die Brüssel IIa-VO gilt hier nicht, da diese nur die Ehescheidung, außer der Verteilung der elterlichen Sorge aber keine Scheidungsfolgesachen erfasst. Auch die Brüssel I-VO gilt gem. ihrem Art. 1 Abs. 2 lit. a ausdrücklich nicht für "die ehelichen Güterstände". Damit kann insoweit weiterhin auf die autonomen Zuständigkeitsnormen des FamFG zurückgegriffen werden. Insbesondere ergibt sich somit – bei Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens in Deutschland – die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte als Verbundzuständigkeit gem. § 98 Abs. 2 FamFG. Außerhalb des Verbunds greifen die allgemeinen Zuständigkeitsregeln in den §§ 12 ff. ZPO (Wohnsitz des Beklagten in Deutschland etc.). Ggf. ergibt sich bei fehlendem Wohnsitz im Inland eine Zuständigkeit aus § 23 ZPO wegen Vermögens im Inland. Künftig erfasst diese Fälle Art. 5 ff. EUGüVO.
Rz. 254
Hinweis: Eine Einschränkung ergibt sich freilich daraus, dass der Begriff der (früher unter die Brüssel I-VO fallenden, nun von der EU-UnterhaltsVO erfassten, siehe Rdn 258) Unterhaltssachen vom EuGH sehr weit ausgelegt wird und daher z.B. auch die property distribution nach englischem Recht umfasst – obgleich mit dieser auch güterrechtliche Ausgleichsgedanken realisiert werden.
Rz. 255
Die Europäische Güterrechtsverordnung vom 2.3.2016 (EUGüVO) sieht für die internationale Zuständigkeit in Erbfällen oder Scheidungssachen wie eine Verbundzuständigkeit vorrangig die Annexkompetenz des mit der Scheidung bzw. mit dem Erbfall befassten Gerichts vor. In anderen Fällen sind gem. Art. 5 Abs. 1 EUGüVO die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem die Eheleute ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Eheleute können gem. Art. 7 EUGüVO nun aber auch eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Diese kann ausschließlich zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaates erfolgen, dessen Recht gem. Art. 22 oder 26 EUGüVO auf ihren ehelichen Güterstand kraft Rechtswahl oder kraft "objektiver" Anknüpfung anwendbar ist.
3. Zuständigkeit für die Durchführung des Versorgungsausgleichs
Rz. 256
Eine internationale oder europäische Norm über die internationale gerichtliche Zuständigkeit für den Versorgungsausgleich gibt es nicht. Insbesondere findet die EUGüVO gem. Art. 1 Abs. 2 lit. f EUGüVO auf den Versorgungsausgleich und vergleichbare Rechtsinstitute keine Anwendung. Daher ergibt sich die internationale Zuständigkeit für die Durchführung des Versorgungsausgleichs aus dem autonomen Recht. Wegen der engen Verknüpfung mit der Scheidung lehnt diese sich an die Zuständigkeitsvorschriften für die Scheidung an. Soweit daher ein deutsches Gericht im Rahmen der Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-VO über die Scheidung entscheidet, ist es gem. § 98 Abs. 2 FamFG auch für die Durchführung des Versorgungsausgleichs international zuständig (internationale Verbundzuständigkeit).
Rz. 257
Ist die Scheidung bereits im Ausland erfolgt, ohne dass dort über den Versorgungsausgleich entschieden wurde, kann im Inland der Versorgungsausgleich nachgeh...