1. Maßgeblichkeit des Heimatrechts

 

Rz. 113

Gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB sind die Voraussetzungen für die Eheschließung auf Seiten eines jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut (regelmäßig also das anhand der Staatsangehörigkeit bestimmte Heimatrecht; siehe im Einzelnen Rdn 62 ff.) zu bestimmen. Bei unterschiedlichem Personalstatut der Verlobten gilt das für einen von ihnen geltende Personalstatut grundsätzlich nur für die Voraussetzungen auf seiner Seite.

Beispiel: Will ein 23 Jahre alter Deutscher eine 17-jährige Iranerin heiraten, so ergibt sich für den Bräutigam die Ehemündigkeit aus seinem deutschen Heimatrecht; für die Braut gilt das iranische Recht, das Mädchen die Eheschließung bereits mit 13 Jahren erlaubt.[161] Unbeachtlich bleibt, dass das deutsche Recht den Verlobten die Eheschließung nicht ermöglichen würde, denn dieses Recht gilt für die Verlobte nicht. Für den Ehemann gilt es zwar, es verbietet ihm aber nicht die Eheschließung mit einer Minderjährigen (sog. einseitiges Ehehindernis).[162] Insoweit bestimmt nun Art. 13 Abs. 3 EGBGB, dass die Ehe im Inland als Minderjährigenehe aufhebbar, bei einem nicht einmal 16 Jahre alten Verlobten sogar ipso iure unwirksam ist.

 

Rz. 114

Insoweit werden die Voraussetzungen also distributiv angeknüpft. Diese Distribution der Eheschließungsvoraussetzung auf die Personalstatuten beider Eheleute wird dort durchkreuzt, wo die für einen Verlobten geltenden Vorschriften auf den anderen Bezug nehmen. Im Gegensatz zu dem oben genannten Beispiel handelt es sich hier um sog. zweiseitige Ehehindernisse bzw. beidseitige Ehevoraussetzungen. Im deutschen Recht zählt man hierzu § 1306 BGB.

Beispiel: Eine deutsche Frau darf also gem. § 1306 BGB keinen Mann heiraten, der bereits verheiratet ist. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob dieser nach dem für ihn maßgeblichen Recht mehrfach heiraten kann oder nicht.

 

Rz. 115

Die Feststellung, ob es sich um ein einseitiges oder zweiseitiges Ehehindernis handelt, ergibt sich aus der Auslegung der ausländischen Vorschrift. So stellt nach englischem Recht das Verbot der Eheschließung mit Minderjährigen ein zweiseitiges Ehehindernis dar, mit der Folge, dass ein volljähriger Engländer die 15-jährige Iranerin nicht heiraten könnte – obwohl sie nach ihrem Heimatrecht heiraten dürfte.[163]

 

Rz. 116

Rück- und Weiterverweisungen sind auch hier zu beachten. Diese können auftreten, wenn der Heimatstaat des betreffenden Verlobten auf dessen Wohnsitzrecht verweist (wie z.B. in Dänemark, Brasilien[164] oder ["domicile"] England[165]). Das IPR einiger Länder verweist auf den Eheschließungsort (so z.B. bis 2011 in der VR China).

[161] Ausf. NK-BGB/Yassari, Familienrecht, Bd. 4, 4. Aufl. 2020, Länderbericht Iran Rn 1.
[162] Im Einzelfall kann freilich statt einer Minderjährigenehe auch eine Kinderehe vorliegen, deren Eingehung den deutschen ordre public (Art. 6, 13 Abs. 3 EGBGB) verletzt, so v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, 2. Aufl. 2019, § 4 Rn. 85.
[163] Beispiel aus Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, S. 805.
[164] OLG Celle StAZ 1969, 16.
[165] Siehe hierzu v. Hertzberg/Odersky, Länderbericht Großbritannien: England und Wales, in diesem Buch.

2. Qualifikation der materiellen Voraussetzungen

 

Rz. 117

Dem Eheschließungsstatut unterliegen die Ehemündigkeit und das Erfordernis von Zustimmungen Dritter, der erforderliche Wille, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen (vgl. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB), und die Auswirkungen von Willensmängeln wie Irrtum, Täuschung oder Zwang. Desgleichen ergeben sich aus ihm die Ehehindernisse, wie Verwandtschaft, Adoption oder Schwägerschaft, bestimmte Gebrechen oder Krankheiten, Wartefristen nach vorangegangener Ehe und das Verbot der Polygamie.

 

Rz. 118

Vorfragen, wie die im Rahmen der Ehemündigkeit aufgeworfene Frage nach der Geschäftsfähigkeit der Verlobten oder die Wirksamkeit einer zuvor eingegangenen Ehe, unterliegen nicht dem Eheschließungsstatut, sondern sind anhand des Rechts zu beurteilen, das die hierfür jeweils maßgebliche Kollisionsnorm bestimmt. Wegen der selbstständigen Vorfragenanknüpfung ist dabei auch auf Seiten eines ausländischen Verlobten stets auf die einschlägige Kollisionsnormen des deutschen Rechts (im Beispiel also Art. 7 Abs. 1 EGBGB) zurückzugreifen. Hier ist die Wirksamkeit nach dem gem. Art. 13 und Art. 11 EGBGB bestimmten Recht zu ermitteln.

 

Rz. 119

Hinweis: Umstritten ist in diesem Zusammenhang, wie die Wirksamkeit der Scheidung einer Vor-Ehe zu behandeln ist. In der Literatur wird vielfach angenommen, wenn das Scheidungsurteil aus deutscher Sicht unmittelbar wirksam sei, z.B. weil es von einem deutschen Gericht gefällt worden ist, weil es auf Basis der Brüssel IIa-VO unmittelbar im Inland wirkt oder weil es – soweit notwendig – gem. § 107 FamFG (vormals: Art. 7 § 1 Abs. 1 S. 3 FamRÄndG) von der Landesjustizverwaltung förmlich anerkannt worden ist, so seien die Eheleute entsprechend den Grundsätzen der selbstständigen Vorfragenanknüpfung als ledig zu behandeln. Dies gelte selbst dann, wenn der ausländische Heimatstaat die Scheidung nicht aner...

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