Rz. 331
Die oben aufgefächerte Vielfalt von neuartigen Rechtsformen wirft in Deutschland kollisionsrechtliche Qualifikationsprobleme auf. Als kodifizierte Kollisionsnormen stehen Art. 13 EGBGB (Ehe) und Art. 17b EGBGB (Eingetragene Lebenspartnerschaft) zur Verfügung. Damit ergeben sich für die kollisionsrechtliche Behandlung grundsätzlich vier Optionen: die unmittelbare Zuordnung zu Art. 13 EGBGB, zu Art. 17b EGBGB, eine Analogie zu den Art. 13 ff. EGBGB, die Herausbildung einer eigenen Kollisionsnorm und schließlich die Verbannung aus dem internationalen Familienrecht in das internationale Schuldvertragsrecht (Art. 27 ff. EGBGB a.F. bzw. Rom I-VO).
Rz. 332
Der Begriff der "eingetragenen Lebenspartnerschaft" in Art. 17b EGBGB entstammt dem deutschen Lebenspartnerschaftsgesetz, welches am 1.4.2001 in Kraft getreten ist. Der Begriff ist insoweit singulär, als er sich damals ausschließlich im deutschen Recht wiederfand. Von der politischen Zielsetzung her war beabsichtigt, die gleichgeschlechtliche eingetragene Partnerschaft so weit wie möglich – ausgenommen ist im Wesentlichen das Feld der Kindschaft und der Adoption – der heterosexuellen Ehe gleichzustellen. Zu künstlichen Abgrenzungen zur Ehe kam es zunächst, weil man nicht wusste, wie das BVerfG auf das Gesetz reagieren würde. Diese Bedenken sind jedoch hinfällig geworden, nachdem das BVerfG mit Urt. v. 17.7.2002 insoweit keine Kollision mit dem Abstandsgebot erkannt hat. Nicht zuletzt durch die neuere Änderung des LPartG hat auch der Gesetzgeber den Versuch aufgegeben, die Lebenspartnerschaft als Institut mit – wenn auch nur mit marginal und im Wesentlichen formal abweichenden – Wirkungen unterhalb der Ehe zu etablieren.
Rz. 333
Vor diesem historischen Hintergrund ergibt die funktionelle Analyse, dass Art. 17b EGBGB (zumindest) alle der Ehe gleichgestellten, ihr weitgehend angenäherten oder zumindest mit familienrechtlichen Wirkungen ausgestatteten registrierten Verbindungen zwischen Mann und Mann bzw. Frau und Frau erfasst. Eine nach dem Recht des Registrierungsortes als "Ehe" bezeichnete und mit den Wirkungen einer Ehe ausgestattete gleichgeschlechtliche Verbindung könnte man bei entsprechend weitgehender Auslegung des Begriffs "Ehe" in Art. 13 EGBGB als "Ehe" i.S.d. EGBGB qualifizieren oder ihr gleichstellen – auch wenn dies allen materiellen Wertungen des deutschen Rechts widerspräche. Freilich stellt sich nun Art. 17b EGBGB für die institutionalisierten gleichgeschlechtlichen Verbindungen – und damit auch für die gleichgeschlechtliche Ehe – als lex specialis dar, die Art. 13 EGBGB insoweit verdrängt. Das ergibt sich nun ausdrücklich aus Art. 17b Abs. 4 EGBGB. Es besteht bei nahezu identischer inhaltlicher und struktureller Vergleichbarkeit der ausländischen Rechtsinstitute mit der Lebenspartnerschaft deutschen Rechts kein Grund mehr, nur wegen der abweichenden Bezeichnung und Kodifikationstechnik eine abweichende Qualifikation als "Ehe" vorzunehmen. Wer dennoch weiterhin Art. 13 EGBGB anwendet, kann sich daher kaum noch auf eine "funktionelle Qualifikation" berufen, sondern muss sich dem Vorwurf einer Qualifikation lege causae stellen und all die Verwerfungen in Kauf nehmen, die diese zur Folge hat (siehe Rdn 34).
Rz. 334
Freilich ist die Gleichstellung mit der Ehe oder die weitgehende Annäherung an die Wirkungen einer Ehe nicht unabdingbare Voraussetzung für die kollisionsrechtliche Einordnung als eingetragene Lebenspartnerschaft: Auch eine formell begründete gleichgeschlechtliche Partnerschaft, die hinter den ehelichen Wirkungen bzw. den Wirkungen des deutschen LPartG zurückbleibt, wäre unter Art. 17b EGBGB zu packen. Dies betrifft dann z.B. den PACS nach französischem Recht, der kein Erbrecht gewährt, oder die niederländische eingetragene Partnerschaft, soweit sie gleichgeschlechtlich begründet worden ist.
Rz. 335
Besteht eine homosexuelle Lebensgemeinschaft, ohne dass diese in formeller Weise durch Eintragung begründet worden ist, so könnte man mit einer direkten oder indirekten Anwendung von Art. 17b EGBGB liebäugeln. Freilich ist hier die Anknüpfung an den Registrierungsstaat weder möglich noch sinnvoll. Vielmehr sollten hier die gleichen Regeln wie für die heterosexuelle faktische Lebensgemeinschaft gelten (siehe Rdn 372 ff.).
Rz. 336
Wird schließlich eine heterosexuelle Lebensgemeinschaft in institutioneller Form begründet (also als PACS oder als eingetragene Partnerschaft niederländischen Rechts), so stellt sich die Frage nach der Abgrenzung der Art. 13 ff. EGBGB analog (siehe Rdn 375 ff.) zu Art. 17b EGBGB analog. Begrifflich liegt es zunächst nahe, Art. 17b EGBGB entsprechend anzuwenden, denn die Lebensgemeinschaft stellt auch dann, wenn sie institutionalisiert ist, ja gerade keine Ehe, sondern ein Alternativangebot hierzu dar. Vielfach wird daher in der Literatur in der Tat eine entsprechende Anwendung von Art. 17b EGBGB bevorzugt. Von den kollisionsrechtlichen Interessen und der funktionellen Abgrenzung zwischen...