Rz. 373
Umstritten ist zunächst die grundlegende Entscheidung, ob die Rechtsfolgen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft schuldrechtlich oder familienrechtlich zu qualifizieren seien. Teilweise wird in der deutschen Literatur noch die Ansicht vertreten, die nichteheliche Lebensgemeinschaft sei schuldrechtlich zu qualifizieren. Dieser Auffassung folgt scheinbar auch der BGH, wenn er einen Ausgleichsanspruch wegen Vermögenszuwendungen nach Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auf der Basis eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB vorrangig dem Statut unterstellt, dem die Zuwendung unterlag, und – bei Fehlen eines entsprechenden vertraglichen Kausalverhältnisses für die Zuwendung – dem Bereicherungsstatut, also gem. Art. 38 Abs. 3 EGBGB dem Recht des Staates, in dem das Vermögen des einen Partners durch Leistungen des anderen vermehrt worden ist und damit die Bereicherung eingetreten ist.
Rz. 374
Hintergrund dieser Ansicht ist offensichtlich die Rspr. zum deutschen materiellen Recht, die bei Abwicklung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft für einen Ausgleich ausschließlich auf schuldrechtliche Institute (ungerechtfertigte Bereicherung, Darlehen, Schenkung, Dienstvertrag, Gesellschaft etc.) zurückgreift. Freilich ist zu berücksichtigen, dass diese Rspr. letztlich nur "Randfälle" betrifft. Diese Instrumente wurden für den Ausgleich von Leistungen geschaffen, die über den Rahmen einer normalen nichtehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehen. Dies verdeckt damit die eigentliche zentrale Regelung des deutschen Rechts zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die lautet, dass die Aufnahme eheähnlicher Beziehungen keine Ansprüche der Partner gegeneinander begründe, namentlich keine Unterhaltsansprüche. Diesem Grundsatz hingegen kann man schwerlich die familienrechtliche Qualität versagen. Ebenso würde man ja auch nicht die Gütertrennung unter Berufung darauf schuldrechtlich qualifizieren, dass die deutschen Gerichte hier zur Vermeidung unangemessener Härten in atypischen Situationen zur Schaffung eines Leistungsausgleichs auf schuldrechtliche Institute wie faktische Arbeitsverhältnisse, konkludent vereinbarte Ehegatteninnengesellschaften etc. zurückgreift. Die mittlerweile wohl weit überwiegende Ansicht favorisiert daher im Hinblick auf die personenbezogene Rechtsnatur eine familienrechtliche Qualifikation.
Rz. 375
Auch hier ergeben sich aber zwei verschiedene Varianten: Nach der einen Ansicht gelten die Art. 14 ff. EGBGB analog für die allgemeinen, güterrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Folgen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Vorrangig war also an die gemeinsame Staatsangehörigkeit, nur hilfsweise den gewöhnlichen Aufenthalt anzuknüpfen. Die Gegenansicht meint, bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft stehe die "Faktizität der Partnerschaft" so sehr im Vordergrund, dass eine Parallele zum Eherecht unangemessen sei. Vielmehr sei stets auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Lebenspartner abzustellen. Mit der Umstellung der Anknüpfung des allgemeinen Ehewirkungsstatuts in Art. 14 Abs. 2 EGBGB auf die primäre Anknüpfung an den gewöhnlcihen Aufenthalt der Ehegatten ist der Graben zwischen beiden Ansichten zugeschüttet worden.