1. Rechtsquellen für die Anknüpfung des Unterhaltsstatuts
Rz. 183
Maßgeblich für die Bestimmung des Unterhaltsstatuts ist seit dem 18.6.2011 im Wesentlichen das Haager Unterhaltsprotokoll (HUntProt; siehe Rdn 13 Ziff. 17). Sonderregelungen gelten für iranische Staatsangehörige. Zwischen iranischen Staatsangehörigen unterliegen die Unterhaltsbeziehungen auf der Basis des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens von 1929 dem iranischen Recht.
Rz. 184
Das Unterhaltsübereinkommen von 1973 ist weiterhin von Deutschland ratifiziert und gilt ebenfalls in Albanien, Japan, der Schweiz und der Türkei. Hier stellt sich dann die Frage, wie der Anwendungsbereich zum Haager Unterhaltsprotokoll abzugrenzen ist, das ebenfalls für Deutschland verbindlich ist. Gerade im Verhältnis zur Schweiz und zur Türkei hat diese Frage eine ganz besondere quantitative praktische Bedeutung.
Von einem Teil der Autoren wird hier ein Anwendungsvorrang des späteren Abkommens (lex posterior) angenommen. Nach Ansicht anderer Autoren ist im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten des Abkommens von 1973 von einem Anwendungsvorrang des alten Übereinkommens auszugehen (pacta sunt servanda). Die letztere Ansicht überzeugt unseres Erachtens, denn sie basiert auf allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen. Folgt man letzterer Ansicht, so ist aber unklar, wie hier der Anwendungsbereich der Übereinkommen gegeneinander abzugrenzen ist. Nach wohl besserer Ansicht ist hier nicht auf den gewöhnlichen Aufenthalt oder gar die Staatsangehörigkeit des Unterhaltsberechtigten abzustellen, sondern darauf, ob nach den Vorschriften des "alten" Abkommens von 1973 das Recht eines dieser drei Staaten anzuwenden wäre. Da allerdings auch nach dem Abkommen von 1973 das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsgläubigers auf den Unterhalt zwischen Eheleuten anzuwenden ist und Ausnahmen allenfalls für den Fall bestehen, dass dieses Recht keinen Unterhaltsanspruch vorsieht, dürfte es selten zu divergierenden Lösungen kommen. Stärker sind freilich die Auswirkungen in Bezug auf den Scheidungsunterhalt, da hier Art. 8 des Abkommen von 1973 (vormals: Art. 18 Abs. 4 EGBGB) die Geltung des auf die Scheidung angewandten Rechts vorsieht.
2. Objektive Anknüpfung des Unterhaltsstatuts
Rz. 185
Gemäß Art. 3 Abs. 1 HUntProt unterliegt der Unterhalt dem Recht des Staates, in dem die unterhaltsbedürftige Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hierbei handelt es sich um eine wandelbare Anknüpfung. Wechselt die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt, so ist gem. Art. 3 Abs. 2 HUntProt vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte könnte sich also nach einer Trennung durch internationalen Umzug ein Unterhaltsrecht "erwandern", das ihn besonders günstig stellt (law shopping), bzw. seinen Unterhaltsanspruch verlieren, wenn er in seine ausländische Heimat zurückkehrt und das dort geltende Recht für ihn keinen Trennungsunterhalt vorsieht. Hiergegen schützt Art. 5 HUntProt. In Bezug auf Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten findet danach das Aufenthaltsrecht des Unterhaltsbedürftigen nicht gem. Art. 3 HUntProt Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates – also z.B. das am letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt geltende Recht – anzuwenden.
Rz. 186
Darüber hinaus können Eheleute auch schon für den Trennungsunterhalt eine Rechtswahl gem. Art. 8 oder Art. 7 HUntProt treffen und damit z.B. die Fortgeltung des bislang geltenden Aufenthaltsrechts festschreiben oder die Geltung des gemeinsamen Heimatrechts vereinbaren (Art. 8 Abs. 1 lit. b und lit. a HUntProt).
Rz. 187
Die Verweisungen des HUntProt sind ausdrücklich als Sachnormverweisungen zu behandeln (Art. 12 HUntProt). Rück- und Weiterverweisungen durch ein ausländisches IPR bleiben also unbeachtet.
3. Bestimmung des Unterhaltsstatuts durch Rechtswahl
Rz. 188
Gemäß Art. 8 Abs. 1 HUntProt können die berechtigte und die verpflichtete Person eine der folgenden Rechtsordnungen als das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmen. Ausgeschlossen von der Rechtswahl sind Unterhaltsansprüche einer Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und eines Erwachsenen, der "aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen". Praktischer Hauptanwendungsfall für die Rechtswahl ist daher die ehevertragliche Vereinbarung über den Unterhalt ...