Prof. Dr. Rainer Deininger
a) Sachverhalt
Rz. 105
In diesem Verfahren entschied der EuGH über Regelungen des portugiesischen Einkommensteuerrechts, wonach die Gewinne natürlicher Personen aus dem Tausch von Kapitalgesellschaftsanteilen nicht zu besteuern sind, wenn u.a. der zu den ursprünglichen Anteilen getroffene Wertansatz bei den eingetauschten Anteilen fortgesetzt wird. Zieht der Steuerpflichtige jedoch aus Portugal weg, ist der bis dahin nicht besteuerte Wertzuwachs steuerlich zu erfassen.
b) Entscheidung des EuGH
Rz. 106
Ohne auf eine Unterscheidung dahingehend abzustellen, ob sich die Anteile im Privat- oder im Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen befanden, hält der EuGH fest, dass die angegriffenen Normen des portugiesischen Einkommensteuerrechts zwar gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV und die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV verstoßen. Der Verstoß (gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) ergibt sich jedoch allein aus der Tatsache, dass die angegriffenen Normen des portugiesischen Einkommensteuerrecht dem Steuerpflichtigen kein Wahlrecht zwischen einer Sofortversteuerung und einer auf fünf Jahre gestreckten Stundung gewährten. Zinserhebung und Sicherheitenerfordernis seien jedoch kein Problem im Hinblick auf die Europarechtskonformität.
c) Reaktion in der Literatur
Rz. 107
Wacker sah in einem weitsichtigen Artikel bereits 2017 in diesem Urteil eine Hinwendung des EuGH zur Gleichbehandlung von gegenständlicher und persönlicher Entstrickung. Die Entwicklung, die im Bereich der gegenständlichen Entstrickung mit den Entscheidungen National Grid Indus (Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften) und Verder LabTec (siehe Rdn 127, Überführung von Einzelwirtschaftsgütern über die Grenze in Betriebsstätten in DBA-Staaten mit Freistellung der Betriebsstättengewinne in Deutschland) vom EuGH in Gang gesetzt wurde, hätte nun ihre Fortsetzung bei der Betrachtung der persönlichen Entstrickung gefunden. Konsequenzen für den Bereich der persönlichen Entstrickung hieraus seien:
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Die Wegzugsbesteuerung beschränkt die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV und die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV. |
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Die Wegzugsbesteuerung ist aber zur Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Territorialitätsprinzip grundsätzlich gerechtfertigt. Insoweit sei keine Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen erforderlich. |
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Insbesondere sei der Wegzugsstaat nicht dazu verpflichtet, einen eventuellen späteren, im Zuzugsstaat eintretenden Wertverlust zu berücksichtigen. Dies gelte auch dann, wenn der nachträgliche Verlust im Zuzugsstaat nicht geltend gemacht werden kann. |
Durch die Entscheidung i.S. Wächtler wurden diese Grundsätze durch den EuGH jedoch wieder in gewissem Maße revidiert (siehe Rdn 98 ff.).