Prof. Dr. Rainer Deininger
a) Defintion
Rz. 14
Unter Steuergestaltung versteht das BMF sehr weitgehend "einen bewussten, das (reale und/oder rechtliche) Geschehen mit steuerlicher Bedeutung verändernden Schaffensprozess durch Transaktionen, Regelungen, Handlungen, Vorgänge, Vereinbarungen, Zusagen, Verpflichtungen oder ähnliche Ereignisse. Durch den Nutzer oder für den Nutzer wird dabei eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Situation bewusst und aktiv herbeigeführt oder verändert. Diese Struktur, dieser Prozess oder diese Situation bekommt dadurch eine steuerrechtliche Bedeutung, die ansonsten nicht eintreten würde. Eine Steuergestaltung liegt nicht vor, wenn ein Steuerpflichtiger lediglich den Ablauf einer gesetzlichen Frist oder eines gesetzlichen Zeitraums abwartet, nach welchem er eine Transaktion steuerfrei oder nicht steuerbar realisieren kann. Unerheblich ist, ob die Gestaltung modellhaft angelegt ist."
M.E. fallen nach dieser sehr extensiven Definition auch Wegzüge von Deutschland in einen anderen Staat unter den Begriff der Steuergestaltung.
Rz. 15
Das BMF nennt als Beispiele für "Gestaltungen mit steuerlicher Bedeutung", die nur unter Berücksichtigung der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 138d AO eine Mitteilungspflicht auslösen:
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die Schaffung, die Zuordnung, der Erwerb oder die Übertragung von Einkünften oder deren Quellen auf einen anderen Rechtsträger; |
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die Gründung oder der Erwerb einer die Einkünfte erzielenden juristischen Person; |
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Anpassung vertraglicher Konditionen nicht ausschließlich unter Fremdvergleichsgrundsätzen. |
Beteiligte einer "Gestaltung mit steuerlicher Bedeutung" können der Nutzer, andere Beteiligte sowie ggf. der sog. Intermediär (Rechtsanwälte, Steuerberater etc.) sein.
b) Grenzüberschreitender Bezug
Rz. 16
Eine Steuergestaltung ist nach Ansicht des BMF dann "grenzüberschreitend, wenn sie mehr als einen EU-Mitgliedstaat oder mindestens einen EU-Mitgliedstaat und einen oder mehrere Drittstaaten betrifft (§ 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO). Der Begriff der Betroffenheit ist weit auszulegen und setzt keine steuerliche Auswirkung voraus. Ob die Steuergestaltung grenzüberschreitend ist, richtet sich darüber hinaus grundsätzlich nach der Ansässigkeit oder der Tätigkeit der Beteiligten, d.h. des Nutzers, der anderen an der Gestaltung Beteiligten und ausnahmsweise des Intermediärs (wenn er über die Tätigkeiten i.S.d. § 138d Abs. 1 AO hinaus an der Steuergestaltung beteiligt ist)."
Hierzu muss nach Einschätzung des BMF mindestens einer der folgenden Konstellationen vorliegen:
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nicht alle an der Gestaltung Beteiligten sind im selben Steuerhoheitsgebiet ansässig; |
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einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten sind gleichzeitig in mehreren Steuerhoheitsgebieten ansässig; |
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einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten gehen in einem anderen Steuerhoheitsgebiet über eine dort gelegene Betriebstätte einer Geschäftstätigkeit nach und die Gestaltung ist Teil der Geschäftstätigkeit der Betriebstätte oder macht deren gesamte Geschäftstätigkeit aus; |
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einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten gehen in einem anderen Steuerhoheitsgebiet einer Tätigkeit nach, ohne dort ansässig zu sein oder eine Betriebstätte zu begründen. |
Rz. 17
Die steuerliche Ansässigkeit i.S.v. § 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a und b AO bestimmt sich nach Auffassung des BMF "nach dem nationalen Recht der jeweils beteiligten Steuerhoheitsgebiete. Anknüpfungspunkte für eine Ansässigkeit einer natürlichen oder juristischen Person sowie einer Personengesellschaft, Gemeinschaft oder Vermögensmasse können Wohnsitz (vgl. § 8 AO), gewöhnlicher Aufenthalt (vgl. § 9 AO), Ort der Geschäftsleitung (vgl. § 10 AO), Sitz (vgl. § 11 AO) oder Staatsangehörigkeit sein." Letzteres überrascht, da die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium in den deutschen Steuergesetzen eher selten vorkommt.
Rz. 18
Darüber hinaus gelten gem. § 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. e AO auch solche Steuergestaltungen als grenzüberschreitend, die Auswirkungen auf den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen nach dem gemeinsamen Meldestandard oder die Identifizierung der wirtschaftlichen Eigentümer haben können.
Rz. 19
Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung setzt zudem voraus, dass die Gestaltung ein sog. "bedingtes Kennzeichen" i.S.d. § 138e Abs. 1 AO oder ein "unbedingtes Kennzeichen" i.S.d. § 138e Abs. 2 AO aufweist. Zu den bedingten Kennzeichen des § 138e Abs. 1 AO führt das BMF aus, dass weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung sei, dass ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass...