Prof. Dr. Rainer Deininger
Rz. 81
Hinsichtlich der Wegzugssteuer ist im Unterschied zur Vorgängerregelung nicht mehr zu unterscheiden, ob es sich bei dem wegziehenden Steuerpflichtigen um einen EU-/EWR-Staatsangehörigen oder um einen Staatsangehörigen eines Drittstaates handelt und ob der Steuerpflichtige in einen EU-Staat verzieht oder in einen Drittstaat.
Es wird auch in den Fällen, in denen ein EU-/EWR-Staatsangehöriger in einen EU-/EWR-Staat verzieht, die festgesetzte Steuer seit dem 1.1.2022 nicht mehr ohne Sicherheitsleistung unbefristet gestundet. Vielmehr muss nun nach § 6 Abs. 4 S. 1 AStG n.F. die festgesetzte Steuer, die auf die nach Abs. 1 realisierten Einkünfte entfällt, auf Antrag des Steuerpflichtigen in sieben gleichen Jahresraten – zinslos – entrichtet werden. In der Rechtssache DMC hat der EuGH die ratierliche Zahlung einer durch einen Einbringungsvorgang ausgelösten Steuer (nach § 20 Abs. 6 UmwStG 1995 i.V.m. § 21 Abs. 2 UmwStG 1995) über einen Zeitraum von fünf Jahren als europarechtskonform betrachtet.
Rz. 82
Erforderlich für die Stundung ist hierbei nach § 6 Abs. 4 S. 2 AStG n.F. i.d.R. eine Sicherheitsleistung. Dabei ist die noch nicht entrichtete Steuer jedoch innerhalb eines Monats fällig, falls eine Jahresrate nicht fristgemäß bedient wird, der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nach Abs. 5 nicht nachkommt, er Insolvenz anmeldet, soweit die Anteile veräußert oder übertragen werden, oder soweit Gewinnausschüttungen oder eine Einlagenrückgewähr erfolgen und soweit deren gemeiner Wert insgesamt mehr als 25 % des gemein Werts im Besteuerungszeitpunkt beträgt. In der Rechtssache DMC hat der EuGH eine Sicherheitsleistung als nur dann als verhältnismäßig angesehen, falls ein konkretes "Nichteinbringungsrisiko" besteht. Dieser Terminus ist auf unter § 6 AStG fallende Gestaltungen nur schwer übertragbar, zeigt aber, dass nicht jedwede Verpflichtung zu einer Sicherheitsleitung als europarechtskonform betrachtet wird. Erforderlich ist vielmehr eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Ob die Sicherheitsleistung nach § 6 Abs. 4 S. 2 AStG n.F. daher europarechtlich standhalten wird, bleibt abzuwarten.
Rz. 83
Gemäß § 6 AStG Abs. 4 S. 6 AStG n.F. ist jedoch eine unentgeltliche Übertragung auf eine natürliche Person von Todes wegen unschädlich. Es wird hierbei auf die betreffende Person oder, infolge aufeinanderfolgender unentgeltlicher Weiterübertragung zwischen natürlichen Personen von Todes wegen, auf deren unmittelbaren oder mittelbaren Rechtsnachfolger abgestellt.
Rz. 84
In den Fällen der Rückkehrabsicht nach § 6 Abs. 3 AStG n.F. gelten die vorstehenden Regelungen entsprechend, d.h. der Stundungszeitraum richtet sich nach der vom Finanzamt eingeräumten Frist und die Erhebung von Jahresraten entfällt auf Antrag des Steuerpflichtigen. Über § 6 AStG Abs. 4 S. 5 AStG n.F. hinaus wird die noch nicht entrichtete Steuer auch innerhalb eines Monats nach Eintritt des Ereignisses fällig, womit der Steueranspruch nicht mehr nach § 6 Abs. 3 AStG n.F. entfallen kann oder der Wegfall der Rückkehrabsicht gegenüber dem Finanzamt mitgeteilt wird. Soweit die Steuer nicht nach § 6 Abs. 3 AStG n.F. entfällt und der Steuerpflichtige auf die Leistung von Jahresraten verzichtet hat, sind für die Dauer des gewährten Zahlungsaufschubs Zinsen nach § 234 AO zu erheben.
Rz. 85
Das FG Düsseldorf hatte bereits 2013 in einem Wegzugsfall von Deutschland nach Österreich entschieden, dass auf die nach § 6 Abs. 5 AStG a.F. zinslos zu stundende Steuer weder Stundungszinsen nach § 234 AO noch Nachzahlungszinsen nach § 233a AO zu erheben sind. Im Jahr 2021 bestätigte das FG Köln diese Rechtsfolgen auch für einen Wegzug von Deutschland in die Schweiz.