Ingrid Groß, Dr. iur. Thomas Eder
I. Die Tätigkeitsmerkmale
1. Rat und Auskunft: eigenständiges Mandat
Rz. 3
Unter Beratung nach § 34 Abs. 1 S. 1 RVG versteht man einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft des Rechtsanwalts.
"Rat" ist die Empfehlung für das Verhalten in einer konkreten Angelegenheit.
"Auskunft" ist die Darlegung rechtlicher Gegebenheiten, die nicht im Hinblick auf einen ersichtlich bestimmten Zweck erfolgt.
Rz. 4
Rat und Auskunft zu erteilen, gehört zu jeder anwaltlichen Tätigkeit. Eine Vergütung gem. § 34 RVG findet nur dann statt, wenn Rat und Auskunft isoliert stehen und "…nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängen". Hat z.B. der Mandant den Auftrag erteilt, Kindesunterhalt einzuklagen, und kommt dann noch einmal, um sich eine Auskunft über den Inhalt der Düsseldorfer Tabelle geben zu lassen, fällt keine Auskunftsgebühr an, weil bereits Nr. 3100 VV RVG eingreift. Erteilt der Mandant den Auftrag, außergerichtlich vom Gegner Unterhaltszahlungen zu fordern, und lässt er sich in diesem Zusammenhang über die Möglichkeit einer eventuellen gerichtlichen Geltendmachung durch Klage oder Mahnbescheid beraten, kommt gleichfalls eine Gebühr gem. § 34 RVG nicht in Frage, weil Nr. 2300 VV RVG eingreift. Die Ausschließlichkeit besteht nur im Verhältnis zwischen der Beratungsgebühr und den Betriebsgebühren (Nrn. 2300, 3100 VV RVG). Dagegen ist die Beratungsgebühr neben der Einigungsgebühr möglich (str., vgl. § 11 Rdn 31, 35) und fällt z.B. an, wenn der Anwalt zu der Einigung geraten hat, die der Mandant ohne ihn abschließt (hat der Anwalt an der Erarbeitung des Einigungsvertrages mitgewirkt, findet Nr. 2300 i.V.m. Nr. 1000 VV RVG Anwendung (str.), vgl. § 3 Rdn 7). Will der Mandant durch die Beratung sich vergewissern, ob und welchen Auftrag er erteilten sollte, liegt ein Beratungsmandat vor. Ist der Mandant bereits zu einem gerichtlichen Vorgehen entschlossen und will er nur über Aussicht, Taktik und dergleichen informiert werden, ist ein unbedingter Auftrag gem. Nrn. 3100 ff. VV RVG anzunehmen, der die Beratungstätigkeit mit umfasst.
2. Tätigkeitsumfang
Rz. 5
Die Beratungsgebühr gilt alles ab, was zur Erteilung von Rat und Auskunft erforderlich ist: Die Entgegennahme der Information, das Studium übergebener Unterlagen, Literaturrecherchen, Einholung eines Grundbuchauszugs zur Ermittlung der Eigentumsverhältnisse, Beschaffung eines Güterrechtsvertrages beim Notar, Ermittlung der Versicherteneigenschaft oder des Zeitwerts einer Lebensversicherung durch Anfrage bei der Versicherungsgesellschaft, Korrespondenz mit dem Mandanten.
Rz. 6
Rat und Auskunft können schriftlich oder mündlich erteilt werden. Viele Mandanten wollen mündliche Auskünfte und Ratschläge noch mehr oder weniger ausführlich schriftlich zusammengefasst haben. Die schriftliche Zusammenfassung kann Ergebnisse aufzählen, kann aber auch eine Begründung enthalten (im Einzelfall kann die Grenze zum Gutachten überschritten werden). (Zur Abgrenzung zur Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr vgl. unten Rdn 7 f. und § 3 Rdn 2).
II. Abgrenzung zu Nrn. 2300, 3100 ff. VV RVG und zum Gutachten
1. Abgrenzung zu Nrn. 2300, 3100 VV RVG
Rz. 7
Ob ein Mandat nach § 34 RVG oder ein Mandat nach Nr. 2300 oder Nr. 3100 VV RVG vorliegt, hängt von dem Auftrag des Mandanten ab.
Rz. 8
Die Abgrenzung zum Prozessmandat (Nrn. 3100 f. VV RVG) dürfte keine Probleme bereiten. Erteilt jemand z.B. den Auftrag, Scheidungsantrag einzureichen, wird ihm die Auskunft gegeben, dass er noch nicht lange genug getrennt gelebt hat, und der Rat erteilt, erst im Herbst wiederzukommen, ist das ein einheitliches Prozessmandat.
Rz. 9
Die Abgrenzung zu Nr. 2300 VV RVG, dem anderen außergerichtlichen Mandat, kann dagegen schwierig sein. Die Grenzen sind fließend. Die Unterscheidung ist aber wichtig. § 34 RVG gilt nur für das Beratungsmandat. Wenn überhaupt eine Rechtsschutzversicherung einsteht, dann i.d.R. nur beim Beratungsmandat, nicht bei der außergerichtlichen Vertretung. Es kommt auf das Mandat an. Der Auftrag, an den Gegner heranzutreten, überschreitet stets die Grenzen des Beratungsmandats. Daher ist ein solcher Auftrag dem Mandanten gegenüber schriftlich zu bestätigen.
Rz. 10
Die Unterscheidung – "Beratungsmandat, wenn intern – Mandat gem. Nr. 2300 VV RVG, wenn die Tätigkeit nach außen entfaltet werden soll" – ist richtig. Man muss nur berücksichtigen, dass Hilfstätigkeiten auch im Beratungsmandat auf den externen Bereich ausgedehnt werden können, ohne den Charakter des Beratungsmandats zu ändern.
Rz. 11
War der Anwalt mit außergerichtlicher oder gerichtlicher Vertretung beauftragt, erschöpft sich seine Tätigkeit aber in Beratung (z.B., weil der Mandant die Sache nicht weiterverfolgt), so sind Gebühren nach Nr. 2300 oder Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG angefallen, nicht etwa nach § 34 RVG.