Rz. 194
Als Ursache für den internationalen Entscheidungsdissens kommt in erster Linie eine abweichende Anknüpfung des Personalstatuts in Betracht. Das trifft z.B. dann zu, wenn ein im Inland lebender Erblasser Angehöriger eines ausländischen Staates ist, der das Erbstatut an die Staatsangehörigkeit anknüpft, und der Erblasser dieses Recht nicht oder ein anderes Recht als Erbstatut gewählt hat. Das Gleiche gilt, wenn der ausländische Staat nicht dem Staatsangehörigkeits-, sondern dem Domizilprinzip folgt, das Domizil aber anders bestimmt als wir den gewöhnlichen Aufenthalt.
Rz. 195
So wäre im Beispielsfall wegen des langandauernden Aufenthalts des Erblassers in Deutschland ein gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers i.S.v. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO in Deutschland gegeben. Ein englisches Gericht würde dennoch von einer Fortdauer des domicile des Erblassers in England ausgehen, da dieser nicht nachweislich die Absicht aufgegeben hat, möglicherweise nach Beendigung der Arbeitstätigkeit nach England zurückzukehren und wieder in sein Haus bei Bristol einzuziehen.
Rz. 196
Differenzen können auch aus der abweichenden Beurteilung vorgreiflicher Rechtsverhältnisse (Vorfragen) resultieren. Dies gilt insbesondere für das Bestehen von Statusverhältnissen (Abstammung, Wirksamkeit einer Eheschließung oder Scheidung, Anerkennung einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft oder einer gleichgeschlechtlichen Ehe etc.), aber auch für die Formwirksamkeit und materielle Wirksamkeit von Testamenten. Haben sich z.B. eine Deutsche und ein englischer Soldat in Hannover von einem britischen Militärkaplan trauen lassen, ist die Ehe aus englischer Sicht wirksam, aus deutscher Sicht aber formnichtig. Gleiches gilt für Griechen, die in Deutschland vor einem griechischen Geistlichen, der nicht entsprechend zur Eheschließung ermächtigt war, geheiratet haben (Art. 13 Abs. 4 S. 2 EGBGB). Ein Ehegattenerbrecht besteht dann nur aus Sicht der englischen bzw. der griechischen Gerichte (sog. Hinkende Ehe). Insbesondere Art. 17b Abs. 1 EGBGB wird dazu führen, dass bei einer in Deutschland eingetragenen gleichgeschlechtlichen Ehe unter Beteiligung von ausländischen Ehegatten in Zukunft im Heimatland der Beteiligten nicht anerkannte (hinkende) Rechtsverhältnisse entstehen werden. Den ausländischen Beteiligten ist in solchen Fällen dringend die erbrechtliche Absicherung im Wege einer flankierenden Verfügung von Todes wegen anzuraten.
Rz. 197
Schließlich können sich sonstige Unterschiede im Kollisionsrecht auswirken, wie z.B. die andersartige Behandlung von Rück- und Weiterverweisungen, eine abweichende Qualifikation der erbrechtlichen Wirkungen einer Adoption, eine Angleichung oder der ordre public.