Rz. 166
Beispiel:
Ein aus Los Angeles stammender US-Amerikaner, der zuletzt mit seiner Ehefrau in New York lebte und nach der Trennung von ihr nun mit seiner Freundin in Düsseldorf wohnt, möchte für seine Erbfolge gerne kalifornisches Erbrecht wählen. Dieses sieht – anders als das in New York geltende Recht – für die Witwe keine zwingenden Rechte vor, so dass die Erbeinsetzung seiner Lebensgefährtin nicht beeinträchtigt würde.
Rz. 167
Eine Verweisung aufgrund Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers gilt gem. Art. 36 Abs. 2 lit. b EuErbVO als Bezugnahme auf das Recht der Gebietseinheit, zu der der Erblasser die engste Verbindung hatte. Diese Regelung betrifft effektiv, aufgrund Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit in der EuErbVO, ausschließlich die Fälle der Rechtswahl (Art. 22, Art. 24 Abs. 2, Art. 25 Abs. 3 EuErbVO).
Rz. 168
Damit kann in dem Fall, dass der Heimatstaat keine einheitliche Regelung hinsichtlich des interlokalen Privatrechts kennt, der Testator nur das Recht des Gesamtstaates wählen; er kann sich dagegen nicht unmittelbar eine ihm vertraute oder günstig erscheinende Teilrechtsordnung aussuchen. Vorbehaltlich eines einheitlichen interlokalen Kollisionsrechtssystems in diesem Staat (vgl. Art. 36 Abs. 1 EuErbVO) wird dann also die maßgebliche Teilrechtsordnung zwingend nach dem "objektiven Maßstab" in Art. 36 Abs. 2 lit. b EuErbVO bestimmt.
Rz. 169
Für den Beispielsfall ergibt sich daraus, dass der Kalifornier in seinem Testament ausschließlich die Geltung des US-Rechts anordnen kann. Bestimmt er dennoch die Geltung des Rechts eines bestimmten Einzelstaates (also hier: Kalifornien), so ist diese Anordnung unzulässig und man wird überlegen, ob eine Umdeutung in die Wahl des Rechts des Gesamtstaates in Betracht kommt. Ob dann das vom Erblasser gewünschte kalifornische oder das mutmaßlich von der Ehefrau präferierte Recht von New York gilt, entscheidet der zuständige deutsche (Art. 4 EuErbVO) Richter anhand seiner Vorstellungen von der engsten Verbindung. Kommt es zur Geltung des Erbrechts von New York, so wäre genauer zu ermitteln, ob der Erblasser auch für diesen Fall die Geltung des US-Rechts gewollt hätte oder ob aus diesem Grunde die Umdeutung ausscheidet.
Rz. 170
Eine besondere Rechtsunsicherheit ergibt sich nun daraus, dass Art. 36 Abs. 2 lit. b EuErbVO nicht konkretisiert, ob die engste Verbindung zum Zeitpunkt des Todes oder zum Zeitpunkt der Rechtswahl entscheidet.
Rz. 171
So würde sich im Beispielsfall vermutlich die Verbindung nach New York mit der Zeit abschwächen und mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Wegzug aus New York die Verbindung nach Kalifornien verstärken, wenn der Erblasser z.B. in Los Angeles weiterhin Familienangehörige hätte, die er regelmäßig besucht, in New York aber außer seiner Ehefrau niemand mehr wohnt. Die Rechtswahl würde aber als Gestaltungsmittel erheblich an Bedeutung verlieren. Zieht der Erblasser z.B. später nach Texas und stirbt dort, so würde eine enge Beziehung wohl nur noch zum texanischen Recht führen, welches er bei Errichtung der Verfügung möglicherweise gar nicht in Betracht gezogen hatte.