Rz. 196

Eine erhebliche Anzahl von Mitgliedstaaten der EU sind durch internationale Abkommen mit Drittstaaten auf dem Gebiet des internationalen Erbrechts völkerrechtlich gebunden. So haben beispielsweise Italien und Griechenland mit der Schweiz die Anwendung des Heimatrechts für ihre Staatsangehörigen vereinbart. Zahlreiche Abkommen bestehen auch zwischen Österreich und den ehemals jugoslawischen Nachfolgestaaten. Der europäische Gesetzgeber hat auf diese Bindung Rücksicht genommen. Um eine Kollision der europarechtlichen Verpflichtung dieser Staaten aus der EuErbVO mit der völkerrechtlichen Verpflichtung zur Einhaltung der völkerrechtlichen Abkommen zu vermeiden, bestimmt Art. 75 Abs. 1 EuErbVO, dass die Abkommen mit Drittstaaten grundsätzlich bestehen bleiben und Vorrang vor den Regelungen der EuErbVO erhalten.

 

Rz. 197

Das gilt zunächst für das Haager Übereinkommen über die Form letztwilliger Verfügungen vom 5.10.1961, dessen Anwendungsvorrang Art. 75 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO ausdrücklich anerkennt. Das gilt aber nach bislang unbestrittener Ansicht auch für die bilateralen Abkommen, die Rechtsanwendungsregeln in Bezug auf das Erbrecht enthalten.[133]

 

Rz. 198

Bei Abkommen zwischen Mitgliedstaaten hingegen werden sämtliche Abkommensparteien durch die EuErbVO gebunden, so dass diese komplett durch die EuErbVO ersetzt werden können, Art. 75 Abs. 2 EuErbVO. Dies betrifft z.B. die bilateralen Abkommen der Bundesrepublik Österreich mit Ungarn[134] sowie mit Slowenien und Kroatien. Gleiches gilt für die aus der Zeit des Ostblocks stammenden bilateralen Abkommen der osteuropäischen Staaten untereinander, soweit diese der EU beigetreten sind.

 

Rz. 199

Auf dem Bereich des internationalen Erbrechts haben die Bundesrepublik Deutschland bzw. das Deutsche Reich bis auf das Haager Testamentsformabkommen vom 5.10.1961 keine multilateralen internationalen Übereinkommen abgeschlossen. Wohl aber gelten drei bilaterale Abkommen, die (in zeitlicher Reihenfolge) mit dem damaligen Kaiserreich Persien, der Türkischen Republik und der damaligen Sowjetunion abgeschlossen wurden.

[133] Dutta, FamRZ 2013, 452; Ludwig, FamRBInt 2013, 10, 12; Majer, ZEV 2012, 186; ausf. Mankowski, ZEV 2013, 529 ff.
[134] Dazu Szőcs/Tóth, Länderbericht Ungarn Rdn 28.

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