Rz. 150
In einigen Staaten gilt kein einheitliches Recht auf dem Gebiet des Erb- und Familienrechts, sondern es gibt mehrere parallele Rechtsordnungen nebeneinander.
Rz. 151
So kann es eine interterritoriale Rechtsspaltung geben, bei der in einzelnen Gebieten dieses Staates unterschiedliches Recht gilt. In Europa ist das z.B. im Vereinigten Königreich (England und Wales, Schottland, Nordirland), in Spanien (autonomes Recht in Aragon, Katalonien, Navarra, Galizien, im Baskenland und auf den Balearen sowie "gemeinspanisches Recht" in den übrigen Landesteilen) und in Bosnien-Herzegowina (Bosnische Föderation, Bezirk Srpska und Brcko) der Fall. Außereuropäische Beispiele für eine interlokale Rechtsspaltung sind die USA, Kanada, Australien, Mexiko und China.
Rz. 152
Personenbezogene (interpersonale) Rechtsspaltungen ergeben sich in Form der interreligiösen Rechtsspaltung vor allem in den islamisch geprägten Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens bis hin nach Malaysia, Pakistan und in Indien, aber auch in der griechischen Provinz Thrazien. Schließlich gibt es Staaten, in denen nach ethnischer Herkunft differenziert wird (intergentile Rechtsspaltung), wie z.B. Indonesien, Nigeria und Sri Lanka. Zur intergentilen Rechtsspaltung wird man wohl auch die Abgrenzung zwischen importiertem englischem oder niederländischem Recht und dem traditionellen "Stammesrecht" in einigen asiatischen und afrikanischen Staaten zählen müssen (z.B. Indonesien und Nigeria, wo die Einwohner für das westliche Recht optieren können).
Rz. 153
Beispiel:
Ein Deutscher verstirbt mit letztem Lebensmittelpunkt auf Mallorca.
Rz. 154
Im Beispielsfall hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien, genauer gesagt auf den Balearen, wo im Erbrecht ein Sonderstatut gilt. Es stellt sich nun die Frage, ob hier das "gemeinspanische Recht" des Código Civil 1889 anzuwenden ist oder ob mit der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in einer bestimmten Gebietseinheit unmittelbar auf das Recht der territorialen Untereinheit "Balearen" zugegriffen werden kann. So wird z.B. im deutschen IPR eine Verweisung auf das Recht "des Staates, in dem" eine Person "ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat" (z.B. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2, Art. 15 Abs. 2 Nr. 2, Art. 19 EGBGB) dahingehend ausgelegt, dass hier unmittelbar auf die jeweilige Partikularordnung zugegriffen werden kann.
Rz. 155
Art. 21 EuErbVO bestimmt nicht, dass das Recht des Ortes anzuwenden ist, an dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sondern es gilt das Recht des entsprechenden Gesamtstaates, mithin spanisches Recht. Hier genügt die Verweisung auf das Recht des Aufenthaltsstaates noch nicht, die einschlägigen Normen zu bestimmen. Mithin ist eine Unteranknüpfung vorzunehmen. Diese ist in der EuErbVO in den Art. 36 ff. geregelt. Dabei enthält Art. 37 EuErbVO eine Regelung für die Unteranknüpfung bei interpersonaler Rechtsspaltung. Die Regelung für die Verweisung auf das Recht eines Staates mit interlokaler Rechtsspaltung befindet sich in Art. 36 EuErbVO.