Rz. 58

Art. 34 Abs. 2 EuErbVO sieht zahlreiche Ausnahmen von der Beachtung der Rück- und Weiterverweisung vor:

Im Fall der Anknüpfung an eine "offensichtliche engere Verbindung" im Fall der Ausweichklausel soll die durch Art. 21 Abs. 2 EuErbVO vorgesehene Geltung des Rechts, mit dem der Erblassers besonders eng verbunden ist, nicht durch eine Rück- oder Weiterverweisung wieder verhindert werden.[51] Nach anderer Ansicht solle die "Anwendungsunwilligkeit" dieses Rechts in die davor anzustellende Bewertung einfließen, ob hier überhaupt eine entsprechende "offensichtlich engere Verbindung" zu dem betreffenden Recht besteht.[52]
Hat der Erblasser die Erbfolge durch Rechtswahl seinem Heimatrecht unterstellt (Art. 22 EuErbVO), so würde die Beachtung des ausländischen IPR regelmäßig seine Erwartung zunichtemachen, damit gälten die materiellen Regeln dieser Rechtsordnung (vgl. auch Art. 4 Abs. 2 EGBGB). Auch würde in diesem Fall das ausländische Heimatrecht die Rechtswahlmöglichkeit wieder vernichten, sollte es eine zwingende Verweisung auf das am gewöhnlichen Aufenthalt geltende Recht aussprechen.
Auch der umfangreiche Strauß der in Art. 27 EuErbVO aufgenommenen Verweisungen zur Bestimmung des auf die Formwirksamkeit einer Verfügung anwendbaren Rechts könnte wieder zusammenschrumpfen, würde man Rückverweisungen auf die lex fori beachten.[53] Darüber hinaus verlangt auch der angestrebte Gleichklang mit dem Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961,[54] dass die dem Übereinkommen entlehnten Verweisungsnormen wie im Übereinkommen als Sachnormverweisungen behandelt werden.
Gleiches gilt für die Verweisung zur Formwirksamkeit einer Ausschlagungserklärung in Art. 28 lit. b EuErbVO. Das ist im Ergebnis bedauerlich, kommt auf diese Weise doch offenbar die an dem Ort, an dem die Ausschlagungserklärung abgegeben wurde, geltende Form selbst dann nicht zur Anwendung, wenn das am Aufenthaltsort des Erklärenden geltende IPR die Einhaltung dieser Form genügen lässt.
Irritierend ist die Erwähnung von Art. 30 EuErbVO in Art. 34 Abs. 2 EuErbVO. Es soll ja gerade Voraussetzung für die Verweisung auf diese Vorschriften des Belegenheitsstaates sein, dass diese Regeln nach dem Recht dieses Staates unabhängig von dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht anzuwenden sind. Da der ausländische Staat von der Anwendbarkeit dieser Regeln ausgeht, ist eine Rück- oder Weiterverweisung durch das IPR jenes Staates nicht vorstellbar. Vielmehr wären in dem Fall, dass der ausländische Staat auf das Recht eines anderen Staates verwiese, die Voraussetzungen des Art. 30 EuErbVO nicht erfüllt. Die Aufnahme von Art. 30 EuErbVO in den Kreis von Art. 34 Abs. 2 EuErbVO wäre insoweit also überflüssig.
 

Rz. 59

Darüber hinaus wird man den Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung aber auch in folgenden Fällen beachten müssen:

Hat der Testator oder haben die Parteien eines Erbvertrages gem. Art. 24 Abs. 2 bzw. Art. 25 Abs. 3 EuErbVO ausschließlich für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen (Errichtungsstatut) eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts bzw. zugunsten des Heimatrechts eines anderen Erbvertragsbeteiligten getroffen, so wird sich wohl aus der Bezugnahme dieser Regelungen auf Art. 22 EuErbVO auch die entsprechende Anwendung von Art. 34 Abs. 2 EuErbVO ergeben.[55]
Art. 27 EuErbVO gilt in Deutschland für die Bestimmung des Formstatuts von einseitigen und gemeinschaftlichen Testamenten nicht. Allerdings enthält auch das Haager Testamentsformübereinkommen, welches unmittelbar auf das "innerstaatliche Recht" des ausländischen Staates verweist, ausschließlich Sachnormverweisungen.
 

Rz. 60

Positiv gewendet verbleibt es bei der Beachtlichkeit des Renvoi mithin ausschließlich bei der Verweisung auf das am gewöhnlichen Aufenthalt anwendbare Recht, also in folgenden Fällen:

Bestimmung des Erbstatuts aufgrund objektiver Anknüpfung gem. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO;
Bestimmung des Errichtungsstatuts für Testamente aufgrund objektiver Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt gem. Art. 24 Abs. 1 EuErbVO;
Bestimmung des Errichtungsstatuts für einen Erbvertrag aufgrund objektiver Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt gem. Art. 25 Abs. 1 und 2 EuErbVO.
[51] Vgl. allg. Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2006, § 4 II 2 c, S. 28; von Hein, in: Leible/Unberath, Rom 0-Verordnung, S. 356; MüKo-BGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, Art. 34 EuErbVO Rn 11; krit. Solomon, in: FS Schurig, 2012, S. 256.
[52] So Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, Art. 34 Rn 22 unter Verweisung auf Davi, Recueil des Cours 352, S. 133.
[53] Dem mit der Alternativität verfolgten Günstigkeitsprinzip steht die Beachtung des ausländischen IPR hingegen nicht grundsätzlich entgegen, könnte man den Renvoi doch flexibel so behandeln, dass er den Kreis der anwendbaren Rechte noch erweitert, so: Bamberger/Roth/St. Lorenz, BGB, 3. Aufl. 2012, Art. 4 EGBGB Rn 8; NK-BGB/Freitag, 3. Aufl. 2016, Art. 4 EGBGB Rn 21.
[54] Siehe dazu § 4 Rdn 12.
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