Rz. 187
Das Erbrecht der common law-Staaten (in Europa das Vereinigte Königreich, Irland, Zypern) geht von einem Übergang des Nachlasses auf einen Nachlassverwalter aus (personal representative). Dieser hat als testamentarisch benannter executor bzw. als vom Gericht ausgewählter administrator den Nachlass unter Aufsicht des Gerichts abzuwickeln und den verbleibenden Nettonachlass den Berechtigten (beneficiaries) auszuzahlen. Dieses System (administration) erfasst den gesamten in diesen (ausgenommen aufgrund der Geltung der EuErbVO nun Zypern) Ländern belegenen Nachlass, unabhängig davon, welches Recht auf die Verteilung des Nachlasses (succession) anwendbar ist. Hintergrund ist u.a. die Sicherung der Befriedigung der inländischen Nachlassgläubiger. Die drohende Beeinträchtigung dieses Systems war u.a. eines der Hauptargumente aus dem Vereinigten Königreich gegen die Einführung der EuErbVO.
Rz. 188
Mit Art. 29 EuErbVO sollte offenbar diesen Ländern entgegengekommen werden. Diese Regelung – die wortreichste Regelung in der gesamten Verordnung – verwendet freilich so viel Raum auf die Einengung ihres Anwendungsbereichs, dass ihr Anwendungsbereich denkbar schmal geraten ist. So wären die Behörden gem. Art. 29 Abs. 1 EuErbVO nicht mehr in jedem Fall zuständig, für das inländische Vermögen einen personal representative zu bestellen, sondern nur noch dann, wenn diese nach den Art. 4 ff. EuErbVO die allgemeine gerichtliche Zuständigkeit für die Abhandlung des Nachlasses haben und zusätzlich von den Parteien angerufen werden. In allen anderen Fällen müsste also hingenommen werden, dass bei Geltung des Erbstatuts eines anderen Mitgliedstaates die nach dem Erbstatut bestimmten Erben ungehindert und ohne Zwischenschaltung eines gerichtlich kontrollierten administrator auf den inländischen Nachlass zugreifen und diesen ggf. ins Ausland transferieren.
Rz. 189
Es überrascht kaum, dass das Vereinigte Königreich und Irland sich mit diesem Angebot nicht zufriedengegeben, sondern das opt in verweigert haben. Zypern steht das opt out nach Europarecht nicht zu. Dort wird freilich der weite Begriff des Erbstatuts in der EuErbVO zu tiefgreifenden Eingriffen in das nationale Recht der Nachlassabwicklung führen. Einziger Trost wird hier sein, dass zumindest in den Fällen, in denen der Erblasser aus einem Drittstaat stammte (Russen, Briten), sich regelmäßig über Art. 10 EuErbVO eine internationale Zuständigkeit der zypriotischen Gerichte für den in Zypern belegenen Nachlass ergeben wird.
Rz. 190
Darüber hinaus kommt eine Anwendung dieser Regelung allerdings auch in Schweden in Betracht, da dort ebenfalls die Bestellung eines Nachlassverwalters zwingend ist.